Ortelsburg und seine Geschichte  

Die landschaftliche Schönheit Ortelsburgs und seiner Umgebung waren weithin bekannt. Daneben hatte unsere engere Heimat weder eine nennenswerte Industrie noch eine großräumige Landwirtschaft, wie sie sonst in Ostpreußen üblich war, aufzuweisen. Bäuerliche Betriebe kleineren und mittleren Ausmaßes und eine gesunde Forstwirtschaft bestimmten die Wirtschaft und formten ihre schlichten und arbeitsamen Menschen. Dennoch ist Ortelsburg eine der ältesten St&aul;dte Ostpreußens. Zahlreiche Funde von Schädeln, Waffen und Münzen, die bei Anlage der Gasleitung im Jahr 1904 ausgegraben wurden, lassen darauf schließen, daß schon vor dem 11. Jahrhundert hier eine Siedlung bestanden hat.

Das erste "feste Gebäude" zur Sicherung gegen die rauflustigen Polen und Litauer war auf einer Anhöhe auf der Landzunge zwischen dem Kleinen und dem Großen Haussee errichtet; es erhielt seinen Namen nach dem obersten Spittler und Komtur von Elbing, Ortolf von Trier (1349-1371). Nach ihm ist später die Stadt benannt worden. Zu damaliger Zeit gab es noch keinen sogenannten "preußischen Militarismus". Dennoch war dauernd ein lebhafter Kleinkrieg im Gange. Für einen richtigen Krieg reichten damals weder das Pulver noch die Menschen aus. Das befestigte Schloß zählte nur etwa 30 Bewohner einschließlich der Besatzung. Dienstboten, Gärtner und Instleute bewohnten gewissermaßen die Hauptkampflinie, die aus einfachen Holzhütten in der näheren Umgebung des Schlosses bestand.

Im Jahr 1411 erhielt das Schloß erstmalig eine Kanone. Außerdem standen dem "Vorkommando des Jäger-Bataillons" 5 Stein- und 7 Lotbüchsen, ein Schock Armbrüste und diverse andere "leichte" Waffen zur Verfügung. Der Elbinger Komtur als "Regimentskommandeur" und selbst der Herr Hochmeister als "Divisiöner" weilten recht oft, vielfach aber nur zu Besichtigungen in Ortulfsburg. Ob sie sich Einzelmarsch, Stellung und Richtung angesehen oder die Seele des Kanonenrohrs auf Rostnarben untersucht haben, kann heute nicht mehr ermittelt werden. – Der Name Ortulfsburg erscheint zum ersten Male in einer Urkunde vom 24. November 1360. Damals hatte Ortolf von Trier polnische Kolonisten am Kleinen Haussee als Biener oder Beutner eingesetzt. Diese mußten ihm dafür wahrscheinlich den Honig für den Bärenfang herbeischaffen und auf Treibjagden damit die Bären aus dem Urwald locken.

Etwa um 1370 machten die Litauer wieder einmal einen kriegerischen Ausflug nach Ortulfsburg. Sie brandschatzten die Gegend und steckten auch die hölzerne "Schloßbaracke" in Brand. Um diese Zeit wurde die Befestigung verstärkt und ein Steinschloß mit drei Etagen erbaut. Im 13jährigen Krieg der preußischen Stände gegen den Orden fiel Ortulfsburg 1454 an Polen. Als diese nach dem Sieg bei Konitz wieder von hinnen nach dannen ziehen mußten, versuchte der Söldnerhauptmann Tile von Thymen das Schloß noch schnell zu verschachern, weil ihm der Stabszahlmeister seinen Wehrsold vorenthalten hatte. Aber sein Nachfolger, Burkhart von Querfurt, bot diesem geschäftstüchtigen Schobiak wahrscheinlich nur eine gehörige Abreibung als Kaufsumme an, so daß dieses Geschäft nicht zustande kam.

In den späteren Jahren (1520) ist das Schloß häufig von den Polen angegriffen und seine Umgebung verwüstet worden. Das Schloß blieb jedoch erhalten. Erst nach dem Untergang des Ordens und Errichtung des Herzogtums Preußen unter polnischer Oberhoheit (1525) verlor Ortelsburg seine Bedeutung als Grenzfestung. Dafür wurde es oft als Ausgangspunkt für ausgedehnte Jagden von ostpreußischen Herzögen aufgesucht. In der Zwischenzeit verfiel das Schloß mehr und mehr, bis der Ansbacher Regent des Herzogtums, Georg Friedrich (1587-1603), der nebenbei auch ein großer Nimrod war, das Schloß (1579-1581) in großzügiger Weise renovie-ren und ausbauen ließ. Hierzu beorderte er von weither Handwerker und Bauleute, denen es hier so gut gefiel, daß sie sich auf der "Lischke", einem Wäldchen in der Nähe des Schlosses, ansiedelten.

Hierzu mag auch die Tatsache beigetragen haben, daß es in Ortelsburg schon zwei Krüge, den Erb- oder Haber- und den Amtskrug, gab. Der "Krüger" Mischen Haberstroh erhielt damals zu seinem Erbkrug vor dem Schloß noch eine Hufe Land an der Straße nach Georgensgut sowie die Brau- und Hökereigenehmigung. Hierfür mußte er jährlich 4 Preußische Mark und 4 Hühner als Zinsen zahlen. Daraus darf geschlossen werden, daß die ersten Ortelsburger Gastwirte sehr billig zu ihrem Eigentum gekommen sind. Hoffentlich macht sich dies nicht bei der Abfindung durch den Lastenausgleich unangenehm bemerkbar.

Zum Schutz der Siedler gegen wilde Tiere, die damals hier noch in großer Anzahl ihre Wechsel hatten, entstand das Hackelwerk, ein aus Hecken und Gestrüpp bestehender Schutzzaun (der dann "später" durch die Hindernislinie nebst Bunkern ersetzt wurde). – Der erste Gottesdienst in Ortelsburg wurde in der Kapelle des Schlosses, die der hl. Anna geweiht war, gehalten. Ein Priesterbruder des Ordens war gleichzeitig auch Seelsorger. Die Pfarrkirche vor dem Schloß ist 1485 durch den ermländischen Bischof Nicolaus von Tüngen gegründet worden. Der Geistliche hatte neben freier Kost im Schloß keine Einkünfte. Während des Krieges gegen Polen (1519-1521) ist die Kirche abgebrannt.

Als Ortelsburg überwiegend protestantisch wurde (nach 1525), setzte auch unter den Geistlichen ein betriebsamer Konkurrenzkampf ein, der auch eine Kirchensteuer notwendig machte. Selbst die Schornsteine wurden besteuert. Hoffentlich ist das keine Anregung für unsern Herrn Bundesfinanzminister. Für den Herrn Hauptmann, seine Gattin und das Hofgesinde mußte neben polnisch auch deutsch gepredigt werden. Da diese Sprache damals von den wenigsten verstanden wurde, mußte der Herr Pfarrer diesen Nachteil mit kräftigem Schimpfen gegen die Zwiegläubigen ausgleichen. Das war aber nicht weiter tragisch zu nehmen, denn viel haben die Zuhörer damals sowieso nicht verstanden. Das brachte den Geistlichen höchstens Dispute mit dem Hauptmann ein. Besonders der protestantische Pfarrer Niclas Glitzner und der Schloßhauptmann Hans von Schertwitz haben sich oft in den Haaren gelegen. (Wird fortgesetzt)

Ortelsburger Heimatblatt – Der Yorcksche Jäger   1953 Nummer 4