Landgemeinde Groß Jerutten   [Jeruty]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Vorgeschichtliche Funde: Aus der Jungsteinzeit (2000-1800 v. Chr.) ein dicknackiges Flintbeil, gefunden auf dem Grundstück des Eigenkätners Kerstan und ein Axthammer, gefunden auf dem Grundstück von Heybowitz.

Nach einer im Copiarium: Verschreibungen und Reskripte über Schatullgüter (staatliches Archivlager in Göttingen) vorhandenen Notiz ist Groß Jerutten als Schatulldorf gegründet. In einer Handfeste vom 21. Juli 1706 (konfirmiert am 9. November 1706) erhielt der Schulze Jakob Specka aus Ebendorf (Ohlschienen) eine Verschreibung "über einen großen Ort Schatulllandes in der sogenannten "Jerutte" in des Kgl. Wildbereiters Willudowius Beritt gelegen, 11 Huben, zu urbaren und ein Dorf anzulegen und mit Mannschaft zu besetzen". Eine Hufe wurde ihm für 100 Gulden Kaufgeld "sonst von allen Zinsen und militärischen Beschwerden frei" zugesprodren. Der Dorfgemeinschaft wurden sechs Freijahre zuerkannt. Dann sollte jeder Wirt von jeder Hufe 16 Mark Zins und sechs Mark Schutzgeld zahlen. In der Friedrichsfelder Amtsrechnung 1718 werden 12 Schatullinsassen erwähnt, unter ihnen Ladda, Patz, Puzicha, Kollodzei, Bednarski. Nach der Generalpachtsrechnung des Domänenamtes Friedrichsfelde (Gött. Archivlager 3843) wurde Groß Jerutten 1753/54 von einer Viehseuche heimgesucht. Die Schatullbauern Georg Böttcher, Bartholomaeus Patz und Paul Kollodzei erhielten eine Remssion von je einem Reichstaler. In dieser Urkunde wird von einer eigenartigen Steuer gesprochen. Groß Jerutten sollte 270 Stück Sperlingsköpfe auf dem Amt Friedrichsfelde abliefern. Der Kampf gegen die Sperlingsplage ging auf ein königliches Edikt vom 8. Januar 1731 zurück. In der Friedrichsfelder Amtsrechnung ist ein Krugprivileg für Michael Freimann aus Olschöwken erwähnt. Über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bauern enthalten die Friedrichsfelder Prästationstabellen der 80er Jahre einige Notizen. So heißt es in einem Bereisungsprotokoll der Friedrichsfelder Prästationstabelle 1781: "Die Vermögensumstände der Insassen sind nur Sehr mittelmäßig. Kartoffeln sind die Hauptnahrung".

Die ersten Nachrichten über eine Separation finden wir in der Friedrichsfelder Prästationstabelle 1815. Hier heißt es: "Das Dorf wurde für die Separation durch Feldmesser Link vermessen. Der Separationsplan weist 50 bebaute Hofstellen auf. Unter diesen Hofstellen befinden sich 18 Ausbauhöfe". 1835 (Friedrichsfelder Prästationstabelle 12) umfaßte die Dorfgemarkung 118 H 26 M 126 R preuß. 1850 (30. April) wird unter den Ausbauhöfen ein neuerrichtetes Etablissement Neu Jerutten erwähnt. Das Bestellen der Felder hatte oft unter Überschwemmungen zu leiden. Schon im 18. Jahrhundert berichteten die Akten über Klagen der Bauern. Durch den im September 1869 gegründeten Friedrichsfelder Meliorationsverband wurde zum ersten Male der Versuch unternommen, durch Bau von Kanälen eine Abflußmöglichkeit nach Polen zu schaffen. Diese Anlagen verfielen jedoch mit der Zeit wieder. Eine entscheidende Besserung wurde erst 70 Jahre später erzielt. Ein die Wirtschaft der Dorfgemeinschaft förderndes Ereignis war der Anschluß an die Bahnlinie Ortelsburg-Johannisburg 1884. Der Erste Weltkrieg brachte der Dorfgemeinschaft viel Leid. Zweimal wurde das Dorf von russischen Truppen besetzt. Beim zweiten Abzug im November 1914 wurden vom Feinde sieben Häuser, darunter die Schule, in Brand gesteckt. Am 11. November machte ein russisches Jagdkommando einen Überfall auf den von Lyck kommenden Zug in der Nähe des Haltepunktes Groß Jerutten. Ein Teil der Fahrgäste (22 Männer und Frauen) wurden ermordet, 46 schwer verletzt.

Einen entscheidenden wirtschaftlichen Aufstieg erlebte die Landgemeinde durch die von Landrat Poser durchgeführten Meliorationsmaßnahmen, vor allem durch die 1938 abgeschlossene Vertiefung des West- und des Ostkanals. Die Erfolge der durchgeführten Entwässerung waren bedeutend. 1938 konnten 30 Prozent mehr Flächen landwirtschaftlich genutzt werden als 1932. Der Viehbestand vermehrte sich in dieser Zeit um 31 Prozent, der Pferde um 20 Prozent, der Schweine um 45 Prozent. Die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung war von einer lebhaften Bautätigkeit begleitet. Auf fast allen Bauernhöfen wurden massive Wohnhäuser errichtet. Es gab 1939 in Groß Jerutten 72 landwirtschaftliche Betriebe: 19:0,5-5 ha, 19:5-10 ha, 18:10-20 ha, 16:20-100 ha. Zu den modern bewirtschafteten Betrieben zählte vor allem der Hof von Gottlieb Heybowitz. Die während der Regierung Friedrich Wilhelms I. gegründete Schule erhielt 1920/21 ein modernes Gebäude für drei Schulklassen.

Über das Schicksal von Groß Jerutten am Ende des Zweiten Weltkrieges entnehmen wir einem Bericht von Wilhelm Mosel folgende Angaben: Beim Einmarsch der Russen wurden ermordet: Gottlieb Bienk, Michael Gritzan, Frau Gritzan, Konrad Samuel, Minna Katzinski, Wilhelm Kalina, Luise Otter, Regine Olschewski, Hildegard Puzicha, Emil Skischally, Marie Skischally, Minna Trecziak. Sieben Personen wurden verschleppt, sieben starben auf der Flucht. 55 Einwohner sind als Angehörige der Wehrmacht gefallen. Neun Soldaten werden vermißt.

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. Friedrich Sadlowski   2. Paul Sadowski   3. Friedrich Großmann   4. Gottlieb Heybowitz   5. Frieda Kositzki   6. Wilhelm Mosel   7. Wilhelm Mosel   8. Max Gritzan   9. Friedrich Kalina   10. Wilheim Skibba   11. Emil Posdziech   12. Paul Schulz   13. Wilhelm Frontzek   14. Charlotte Buttler   15. Wilhelm Podschardly   16. Karl Marzinzik   17. Wilhelm Olschewski   18. Paul Pawelzik   19. Otto Czezinski   Im Ortsteil Neu Jerutten waren fünf Bauern.

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg