Landgemeinde Kannwiesen   [Chwalibogi]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Die ersten Verhandlungen zwischen der Kriegs- und Domänenkammer und Ansiedlern über die Anlage einer "Dorfstelle zu Kannwiesen" wurden am 22. Oktober 1766 geführt (Ostpr. Fol. 386/70). Das für die Gemeinde in der Napiwoddaer Forst vorgesehene Areal (vorwiegend Scheffelplätze) wurde 1767 von Kondukteur von Schlichting vermessen. Das Gründungsprivileg wurde erst am 3. Oktober ausgefertigt und am 24. Oktober vom König bestätigt. 37 H 15 M kulm. wurden 23 Bauern (sie kamen aus Malga, Groß Dankheim [Groß Przesdzienk], Klein Dankheim [Klein Przesdzienk], Neuhoff, Malschöwen und dem Neidenburger Amt) zu Schatullrechten verschrieben. Die Siedler mußten sich verpflichten, auf ihrem Besitz (durchschnittlich 1 H 15 M kulm.) innerhalb von fünf Jahren ein Wohnhaus, einen Stall und eine Scheune zu bauen. Bauholz wurde ihnen aus der Staatsforst zur Verfügung gestellt. Die Akquirenten durften ihr Vieh in "der kgl. Heide, soweit es die Gehege und Schonungen gestatteten, gegen ein Weidegeld von 3 Groschen je Stück weiden". Der Aufbau der Gebäude kam gut voran, die wirtschaftliche Entwicklung verlief weniger günstig. In den Bereisungsprotokollen der Willenberger Prästationstabelle 1783 werden die Vermögensverhältnisse der Bauern als sehr armselig hingestellt. "Die Futtervorräte waren nicht ausreichend. Nur zwei Fuder Heu wurden geerntet". Dem Mangel an Wiesen- und Weideland suchte die Domänenkammer durch Zuweisung von Ländereien zu begegnen. Am 17. Juli 1784 wurde das Dorfareal um 16 H 25 M 91 R magdeb. in den "Gebieten Dzianna Lippa und Kotza Parowa" der Napiwoddaer Forst erweitert. Am 2. Juni 1785 wurden der Dorfschaft 6 H 3 M 156 R magdeb. bei der Separation der Napiwoddaer Forst zugewiesen. Am 12. März 1788 erwarb die Dorfschaft 32 H 20 M 113 R bei der Separation der Korpeller Forst (Grundbuch 15615). Eine Folge dieser Arealvergrößerung durch Weideland war die in den Willenberger Prästationstabellen der 90er Jahre erkennbare Vermehrung der Viehzucht. Im Reformzeitalter stieg die Zahl der Wirte durch Dismembrationen auf 29. In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts begegnen wir in den Quellen wiederholt Klagen über wirtschaftliche Rückschläge, die ihren Grund in häufig auftretenden Überschwemmungen hatten. Es fehlte die Vorflut. Um wenigstens eine kleine Abhilfe zu schaffen, wurde am 10. Mai 1869 "der Meliorationsverband des westlichen Omulefgebietes" gegründet, der das Gebiet zwischen Montwitz und Groß Dankheim (Groß Przesdzienk) sowie bei Kannwiesen umfaßte. Wegen des dauernden Rückstaus verfielen aber die Meliorationsanlagen im Laufe der Jahrzehnte. Entscheidende Erfolge in dieser Frage wurden erst seit dem Jahre 1926 erzielt, indem Landrat von Poser wegen der Vorflutfrage in Verhandlung mit den Starosten von Ostrolenka und Praschnitz eintrat. In den Jahren 1926 bis 1932 wurden überall die Schleusen nach Polen geöffnet, und das Wasser im Kreise Ortelsburg hatte endlich die lang ersehnte Abflußmöglichkeit. Von besonderer Bedeutung war 1928 die Gründung der "Wassergenossenschaft zur Regulierung der Grenzstrecke des Orschützflusses in den Kreisen Ortelsburg und Neidenburg". Der Erfolg der durchgeführten Entwässerungen war bedeutsam. In allen 38 landwirtschaftlichen Betrieben des Dorfes Kannwiesen (8: 0,5-5 ha, 7: 5-10 ha, 12: 10-20 ha, 11: 20-100 ha) äußerte sich der wirtschaftliche Aufstieg in einer Vermehrung des Viehbestandes um 30 Prozent sowie einer Steigerung der Futtererträge um das zehnfache gegenüber 1926. Besondere Erwähnung verdient ein Ereignis, das viel Unglück über die Landgemeinde brachte. Bei einer Feuersbrunst im Jahre 1900 wurden die Gehöfte der Bauern Adam Schuster, Johann Lenga, Gottlieb Korzen, Christian Dorka, Michael Glinka und Johann Papajewski eingeäschert.

Die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung wurde durch mehrere Straßenneubauten (1912/13: Chaussee Kannwiesen-Willenberg, 1928: Straße Kannwiesen bis zur Kreisgrenze, 1938/39: Chaussee Kannwiesen bis Groß und Klein Dankheim [Groß und Klein Przesdzienk]) sehr gefördert. Die Dorfschule war im Zeitalter Friedrich Wilhelms III. gegründet.

Über das Schicksal der Landgemeinde entnehmen wir einem Bericht von Heinrich Dorka folgende Angaben: "ln den Abendstunden des 19. Januar verließen die Einwohner den Ort. Die Altsitzer Samuel Korzen und Wilhelm Fuchs, die im Dorf zurückblieben, wurden von den Russen ermordet. Auf der Flucht wurden erschossen: Karoline Roßlan, Emil Mucha, Johann Sadowski, Wilhelm Busan, Ernst Napierski. 12 Einwohner sind als Wehrmachtangehörige gefallen, zehn Soldaten werden vermißt.

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. nicht zu ermitteln   2. Wilhelm Roßlan   3. Wilhelm Korzen II   4. Deilhardt, Pächter: Emil Mucha   5. Karl Hartwich   6. Wilhelm Korzen I   7. Friedrich Bradka

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg