Landgemeinde Liebenberg   [Klon]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Liebenberg ist eine Schatullsiedlung. Die Gründungsurkunde datiert vom 5. November 1654. Erster Dorfschulze war Hans Simon. Er erhielt den Auftrag, 56 kulmische Hufen "mit Mannschaft zu besetzen". Den Bauern wurden fünf Freijahre zugesichert, nach Ablauf dieser Zeit sollten die Wirte von jeder H acht Mark, einen Scheffel Gerste, einen Scheffel Hafer an das Amt Friedrichsfelde abführen. Nach dem Wortlaut der Urkunde "hatten sich die Einwohner des Dorfes des Schießens von Wildbret zu enthalten und sollten mit den Wilddieben keine Gemeinschaft halten." 1661 waren in Liebenberg 30 Schatullkölmer vorhanden. Ihre Zahl stieg in den nächsten Jahrzehnten auf 51, Die Pestjahre 1708-1710 forderten unter den Einwohnern große Opfer und beeinträchtigten die wirtschaftliche Entwicklung stark. Die Friedrichsfelder Amtsrechnung 1728 verzeichnet 22 verlassene Bauernhöfe. Wenn es in den nächsten Jahrzehnten wirtschaftlich nicht recht vorwärts ging, so lag das vor allem an den fast in jedem Jahr auftretenden Überschwemmungen. Besonders in den 50er und 60er Jahren des 18. Jahrhunderts klagten die Einwohner über die durch die Überschwemmungen angerichteten Schäden. So heißt es in einem Schreiben der Dorfgemeinde an das Amt vom 12. Juni 1756: "Im Frühjahr nach der Schneeschmelze, oft auch noch bis Johanni, bleibt das Wasser viel zu lang stehen. Die meisten Wiesen liefern nur saures Gras. Der Heubedarf kann nicht gedeckt werden". Die Regierung suchte der Not zunächst dadurch zu begegnen, daß sie dem Dorf neue Wiesenplätze zuwies. So wurde dem Dorf bei der Separation der Puppener Forst 1787 70 Stück Waldwiesen (17 H 23 M 224 R Oletzk.) und etwas später 3 H 22 M 224 R Oletzk. von dem zu der Puppener Forst gehörenden Bruche Smolne zugewiesen. Ein entscheidender Erfolg war dieser Maßnahme nicht beschieden. In den Bereisungsprotokollen der Friedrichsfelder Prästationstabelle 1792 werden die "Nahrungs- und Wirtschaftszustände der Einsassen als sehr schlecht" bezeichnet: "Der Ackerbau und die Viehzucht gewähren kaum so viel Ertrag als zur Nahrung und wirtschaftlichem Bedarf erforderlich ist. Und das, obwohl der Landmann hier sehr einfach lebt und sehr wenig Bedürfnisse hat". Die wirtschaftlichen Notstände blieben in den ersten Jahrzehnten des Reformzeitalters noch bestehen, ja sie wurden durch eine Maßnahme der Regierung, der Aufhebung der Weideberechtigung in der Staatsforst im Jahre 1867, noch vermehrt. Diese Maßnahme war mit Rücksicht auf die jungen Forstkulturen sicher geboten, aber der Bauer fuhr bei der Auseinandersetzung schlecht. Das Stück Wald, das er als Entschädigung für sein bisheriges Waldweiderecht erhielt, war bald abgeholzt. Ersatz für seinen Weideverlust konnte er zunächst nur in ungenügendem Maße schaffen. Häufig blieb sein Vieh auf die Brache in kläglicher Weise angewiesen.

1870 war die Auseinandersetzung im Dorfe mit der Entstehung von 34 Bauernbetrieben und fünf Kätnerhöfen abgeschlossen. In das gleiche Jahr fällt der Baubeginn des Ostkanals. Mit dieser Maßnahme wurde eine für die wirtschaftliche Gesundung der Landgemeinde bedeutsame Melirationsaktion eingeleitet. Der Bau dieses Kanals leitete im Dorf eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung ein, die sich in einer Ertragssteigerung der Ackerflächen und in einer Vermehrung des Viehbestandes äußerte. Der Erfolg dieser Entwicklung hielt etwa bis zum Ersten Weltkriege an. Dann verfielen die Anlagen, und die Mißstände vor 1870 traten wieder in Erscheinung. Die endgültige Lösung des Meliorationsproblems in diesem Raum erfolgte 1933 durch die von Landrat von Poser durchgeführte Entwässerungsaktion. Die fachmännisch durchgeführte Vertiefung des Ostkanals schuf die letzte Voraussetzung für die Aufwärtsentwicklung der vorwiegend landwirtschaftlich eingestellten Landgemeinde. Der wirtschaftliche Aufstieg der 150 Bauernhöfe (47: 0,5-5 ha, 34: 5 bis 10 ha, 36: 10-20 ha, 33: 20-100 ha) zeigt sich in einer Gegenüberstellung der Erfolge der Jahre 1932 und 1938. Es wurden 1938 in Liebenberg 32 Prozent mehr Fläche landwirtschaftlich genutzt, auch die früher genutzten Flächen ganz erheblich verbessert. Während 1932 die Futtergewinnung in der Gemeinde zur Deckung des eigenen Bedarfs keineswegs ausreichte, war nach der Melioration der 13fache Futterertrag festzustellen. Entscheidend zu diesem Erfolg haben auch die Einführung moderner Maschinen, die sachgemäße Verwendung des Kunstdüngers und der Ausbau des Vereins- und Genossenschaftswesens beigetragen. Seit 1928 gab es in Liebenberg eine Spar- und Darlehnskasse (später Raiffeisenkasse), die sich zu einem angesehenen Wirtschaftsunternehmen (300 Mitglieder, 1500 Sparkonten) entwickelte. Der Aufstieg der Landgemeinde wurde auch durch eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse gefördert. Nach einem Bericht von Franz Fehrmann wurde die ausgebaute Chaussee über Liebenberg nach Fürstenwalde 1900 dem Verkehr übergeben. 1925 wurde der Landweg von Liebenberg über Friedrichshagen (Lipniak) nach Friedrichsthal durch eine grobe Kiesschüttung befestigt. Damit erhielt Liebenberg einen zu jeder Zeit befahrbaren Weganschluß an die 13 Kilometer entfernte Bahnstation Altkirchen (Schwentainen). 1926 konnte die Landstraße Liebenberg-Ohmswalde (Wujaken) in eine Kieschaussee umgewandelt werden.

Der wirtschaftliche Aufstieg der Landgemeinde äußerte sich auch in einem bemerkenswerten Aufblühen des gewerblichen Lebens. Es gab in Liebenberg: zwei Fleischereibetriebe (Gustav Trzezak und Paul Patz), zwei Tischlereien mit Kraftbetrieb (August Niesalla und Wilhelm Verner), zwei Dorfschmiede (Adolf Biallowons und Martin Lukowski), eine elektrisch betriebene Mahlmühle von Hermann Krüge, die Gastwirtschaften von Hedwig Thybusch, Friedrich Nowotzin und Hedwig Eichen. Eine besondere Erwähnung verdient, daß die Liebenberger die Wochen- und Jahrmärkte in Friedrichshof besuchten. Hier konnten auch die laudwirtschaftlichen Produkte bei der An- und Verkaufsgenossenschaft abgesetzt werden.

Über die konfessionelle Zugehörigkeit berichtet Franz Fehrmann: "Die Bevölkerung gehörte etwa zu 50 Prozent dem evangelischen und zu 45 Prozent dem katholischen Glauben an. 5 Prozent bildeten verschiedene Sekten. Die evangelische Kirche wurde 1935-1937 gebaut. Letzter Pfarrer: Kühnapfel. Die katholische Kirche stammt aus dem Jahre 1860. Verwaltet wurde die Pfarrstelle von Pater Heyde. Seit 1870 waren in Liebenberg eine evangelische (zweiklassige) und eine katholische Volksschule. Letzte Lehrer an der evangelischen Schule: Pickert und Kempas; an der katholischen Schule: Arndt und Grunwald. 1930 wurde in Liebenberg ein Kindergarten eingerichtet. Letzte Kindergärtnerinnen: Elsa Schulz und Stobbe.

Seit 1870 war in Liebenberg eine Postagentur, die später in ein Zweigpostamt (im Hause von Johannes Czoll) umgewandelt wurde. Postagent: Willi Deppner. Die Zollverwaltung hatte in Liebenberg eine Grenzaufsichtsstelle eingerichtet. Vereine: Freiwillige Feuerwehr, Kriegerverein, Christlicher Jungmädchenverein.

Über das Schicksal der Landgemeinde am Ende des Zweiten Weltkrieges entnehmen wir einem Bericht von Wilhelm Biallowons folgende Angaben: Beim Einmarsch der Russen im Januar 1945 wurden erschossen: Johann Olbrisch, Marie Lukowski, Veronika Olbrisch, Marie Olbrisch, Wilhelm Kipar, Marie Kipar, Irmgard Sefzik. 13 Personen wurden verschleppt, 16 Einwohner kamen auf der Flucht ums Leben. Als Wehrmachtangehörige fielen 35 Liebenberger.

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. August Jerosch   2. Gustav Olbrisch   3. Adam Czycholl   4. Josef Rilka   5. Viktor Trzeziak   6. Johann Trzeziak   7. Karl Funk   8. Rudolf Bloch   9. Adam Katzenski   10. Friedrich Joswig   11. Auguste Tonk   12. Johann Beber   13. Gustav Mosdzen   14. Adam Kurz   15. Friedrich Przygodda   16. Michael Olbrisch   17. Johann Olbrisch   18. Johann Kania   19. Ludwig Kowalski   20. Johann Sadlowski   21. Johann Przygodda II   22. Johann Majewski   23. Wilhelm Kipar   24. Friedrich Sontowski   25. Michael Grabosch   26. Johann Przygodda III   27. Johann Katzmarzik   28. Michael Joswig   29. Wilhelm Klimasch   30. Adolf Warich   31. Karl Buttler   32. Johann Kipar   33. Gregor Spachatz   34. Paul Rogowski   35. Michael Sefzik   36. Johann Glodek   37. Paul Bublitz   38. August Jablonski   39. Johann Kositzki   40. Michael Ferrarius   41. August Hasselberg   42. Gustav Kischel   43. Gustav Sewz   44. Heinrich Grabosch   45. Paul Rilka

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg