Landgemeinde Kallenau (Kallenczin)   [Kałęczyn]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Kallenczin gehörte ursprünglich zu den sogenanten "Rheinweinschen Gütern" der Familie Küchmeister von Sternberg. Die Gründungsurkunde ist verlorengegangen. Ob die Vermutung zutrifft, daß es im Jahre 1436 bestanden hat, ist sehr fraglich. Nach einer Notiz in der Ortelsburger Amtsrechnung 1602 hatten "die fünf Bauern des adligen Bauerndorfes Kalenzinnen" auf dem Gut Saleschen zu scharwerken. Über die Entwicklung des Dorfes im 17. Jahrhundert schweigen die Quellen. In den Urkunden des 18. Jahrhunderts wird Kallenczin stets zusammen mit dem adeligen Saleschen genannt. 1717 gehörten zu den im Besitze des Georg Christoph Küchmeister von Sternberg befindlichen Ländereien: das Rittergut Saleschen und das Bauerndorf Kallenczin (21 H kulm., einschließlich drei H 15 Morgen Wald). In der Ortelsburger Amtsrechnung 1762 werden im Scharwerksdorf Kallenczin 12 Bauern und zwei Gärtner erwähnt. Die Besitzer von Saleschen haben im 18. Jahrhundert oft gewechselt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ging das Gut in den Besitz der Familie von Massenbach über. Etwa 1905 verkaufte die Gemeinde Kallenczin an den Freiherrn von Massenbach den nördlichen Teil der Dorfgemarkung mit dem Torfmoor und dem Schierlingsee. Der Schierlingsee wurde kurz darauf entwässert. Auf den neu gewonnenen Ländereien ließ Freiherr von Massenbach unmittelbar an der Chaussee nach Bischofsburg, etwa zwei Kilometer vom Dorf entfernt, ein Vorwerk bauen, das den Namen Alt Kallenczin, später Emshof, erhielt. Etwa 1906 wurde Saleschen nach Frau Elise von Massenbach, geb. Gebhardt, die in Ingelheim ein Weingut besaß, in Ingelheim umbenannt. Nach dem Tode von Eduard Freiherrn von Massenbach (1910) wurde Ingelheim an den preußischen Staat verkauft, der hier eine Domäne einrichtete. Der Schwiegersohn Hans von Groddeck wurde königlich preußischer Domänenpächter. Nach seinem Tode hatte seine Witwe Ems von Grodeck die Domäne gepachtet. Da der einzige Sohn Karl Albrecht im Ersten Weltkrieg fiel, hat Frau von Groddeck im Jahre 1929 die Pachtung abgegeben. Domänenpächter: R. Fiedler, später Paul Müller. Größe des Gutes 445 ha, davon 303 ha Ackerland, 108 ha Wiesen, 15 ha Wald. 1927 wurde Ingelheim mit dem Bauerndorf zur Landgemeinde Kallenau zusammengeschlossen. Der um 1920 einsetzende wirtschaftliche Aufstieg wurde durch die Meliorationsarbeiten der Saadebruchgenossenschaft Kallenau ermöglicht. Etwa 100 ha bisher ungenutzter Sumpfflächen wurden urbar gemacht. Es gab 1939 in der Landgemeinde 33 landwirtschaftliche Betriebe: 9: 0,5-5 ha, 16: 5-10 ha, 7: 10-20 ha, 1: über 100 ha. Die Statistik dieses Jahres weist eine relativ hohe Zahl von Arbeitern auf. Zum Teil waren es Freiarbeiter auf den umliegenden Gütern, zum Teil fuhren sie als Saisonarbeiter nach Sachsen und Westfalen. Das Handwerk war im Dorf durch folgende Betriebe vertreten: Eine Schmiede (Otto Friederizik), eine Stellmacherei (Gustav Skupsch), eine Tischlerei (Michael Erdmanski), eine Schneiderwerkstatt (Eduard Nikulla), eine Schuhmacherei (Bruno Mecklenburg). In Kallenau waren eine Gastwirtschaft (Karl Schönfeld) und ein Kolonialwarengeschäft (Marie Erdmann). Über die Schulischen Verhältnisse berichtet Michael Olschewski: Bis 1872 mußten die Kinder von Kallenau und Gut Saleschen die Rheinsweiner Schule besuchen. 1927/28 wurde ein Schulgebäude für zwei Klassen gebaut. Letzter Schulleiter: Dombrowski.

Über das Schicksal der Landgemeinde am Ende des Zweiten Weltkrieges entnehmen wir einem Bericht von Michael Olschewski folgende Angaben: Beim Einmarsch der Russen im Januar 1945 wurden erschossen: Hedwig Opretzka, Willi Opretzka, Lene Hasselberg. Gottlieb Böhm wurde von Polen ermordet. Zwei Personen wurden verschleppt. Vier Kallenauer kamen auf der Flucht ums Leben. 21 Einwohner sind als Angehörige der Wehrmacht gefallen. Neun Soldaten werden vermißt.

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. Julius Fröhlich   2. Wilhelm Opretzka I   3. Gustav Skupsch   4. Bruno Mecklenburg   5. Gottlieb Opretzka   6. Gustav Schantowski   7. Friedrich Obodda   8. Gottlieb Pelk, Pächter von Vorwerk Emshof   9. Friedrich Schulz, Pächter von Vorwerk Ingelheim   10. Johann Latza II, Pächter von Vorwerk Ingelheim   11. Insthaus der Domäne Ingelheim   12. Insthaus der Domäne Ingelheim   13. Robert Fiedler, Pächter der Restdomäne Ingelheim

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg