Stadt Passenheim   [Pasym]

Passenheim – 580 Jahre Stadt   Ein Rückblick auf sein Werden

Das auf dem Isthmus zwischen Kalben- und Lehleskersee an der alten nach Polen führenden Landstraße gelegene Passenheim ist nicht, wie die meisten anderen masurischen Städte, aus einer Burgsiedlung hervorgegangen. Nach der am 4. August 1386 von Konrad Zöllner von Rotenstein ausgestellten Handfeste erfolgte die Gründung durch Umwandlung des Kirchdorfes Heinrichswalde, wobei Tile Schuwenpflug zum Stadtschulzen ausersehen wurde. Den Namen erhielt die Stadt nach dem Obersten Spittler und Komtur von Elbing Siegfried Walpot von Bassenheim. Den räumlichen und baulichen Mittelpunkt der Stadt bildete der etwa zwei Morgen große rechteckige Marktplatz, auf dem sich schon in der Ordenszeit im Zuge des wachsenden Verkehrs mit Polen ein lebhafter Handel entwickelte.

Im Gange des 15. Jahrhunderts wurde Passenheim das wirtschaftliche Zentrum für die ländliche Umgebung. Die Aufwärtsentwicklung der Stadt wurde wiederholt durch Kriegsnöte empfindlich gestört. Im "dreizehnjährigen Krieg" des Ordens gegen seine Untertanen schloß sich Passenheim den Ordensgegnern an und hatte verlustreiche Kämpfe zu bestehen. Im "Reiterkrieg" geriet die Stadt durch Verrat in die Hände der Polen, wurde ausgeplündert und zum größten Teil eingeäschert. Wiederholte Verpfändungen Passenheims an Söldnerführer, mit deren Hilfe der Orden seine Kriege führte, wirkten sich ebenfalls zum Nachteil der Stadt aus.

Im 16. und 17. Jahrhundert mußte Passenheim harte Wirtschaftskämpfe mit dem aufblühenden Ortelsburg bestehen, das sich der Abhängigkelt von der älteren Stadt zu entziehen und mit Unterstützung des Amtshauptmanns Andreas von Eylenburg den Handel von Passenheim abzulenken suchte. Der langjährige Streit endete 1616 damit, daß Ortelsburg als Stadt neben Passenheim anerkannt wurde.

Die wohl schwerste Katastrophe ihrer Geschichte erlebte die Stadt im "2. Schwedisch-Polnischen Krieg". Nach einem Bericht von Georg Christoph Pisanski (abgedruckt in Masovia 8) wurde Passenheim am 19. November 1656 von den mit den Polen verbündeten Tataren eingenommen, "nach Verübung furchtbarer Greueltaten angezündet und bis auf die alte Wehrkirche in Asche gelegt". Zu den wenigen Geretteten, denen die Flucht über das Eis des Kalbensees gelang, gehörte der junge Christoph Hartknoch. Er war später Magister der Philosophie und Geschichte in Königsberg und dann Professor am Gymnasium in Thorn und ist vor allem durch seine Werke "Altes und Neues Preußen" und "Preußische Kirchenhistorie" bekannt geworden. Seine Landsleute haben ihm in der Kirche ein Epitaph errichtet.

Die Geschichte der folgenden Jahrhunderte berichtet von Brandkatastrophen, Seuchen und Kriegsunruhen. Der Siebenjänrige Krieg brachte der Stadt eine vierjährige russische Besetzung. Wie andere masurische Städte blieb auch Passenheim von den Kriegsnöten 1806/07 und 1812 nlcht verschont. Einquartierungen und Kriegskontributionen belasteten die Stadt schwer, die ihre Kriegsschuld erst 1832 abzutragen vermochte. Nach diesen Zeiten der Not ging es in den folgenden Friedensjahren mit der Stadtwirtschaft etwas bergan. Wenn es zu keiner lebhaften Aufwärtsentwicklung kam, so lag das vor allem an zwei Gründen: 1846/48 wurde die Provinzialchaussee Königsberg – Bischofsburg – Mensguth – Ortelsburg – Flammberg gebaut. Für Passenheim bedeutete die neue Straße einen schweren wirtschaftlichen Schlag, da ihm nun der Durchgangsverkehr weitgehent entzogen war. Besonders nachteilig wirkte sich vor allem der Bau der Eisenbahnlinie Allenstein – Ortelsburg (1883) aus, die infolge der Sperrlage des Großen Kalbensees etwa 3 Kilometer südlich der Stadt vorbeigeführt werden mußte.

Trotz der ungünstigen Verkehrslage gab es in der Stadt ein reges Wirtschaftsleben. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden mehrere Industriewerke, u. a. die Sägewerke von W. Krolzig und Anton Tasch, das Kalksandsteinwerk von W. Grzella, die Mahlmühle von Tasch und die weit über den Ortelsburger Kreis hinaus bekannte Molkereigenossenschaft (Direktor Walter Dous). In der Stadt waren vorhanden 61 Ladengeschäfte, 71 Handwerksbetriebe. Es bedarf besonderer Erwähnung, daß die Kleinstadt Passenheim über einen ansehnlichen Grundbesitz verfügte. Zur Stadtgemeinde gehörten Freythen, Friedrichsberg, Ottilienhof, Sonnenberg, Walhalla, das Gemeindeforsthaus Passenheim und der über 3000 Morgen große Stadtwald, der mit seiner Gaststätte "Waldheim" und in der Winterzeit mit seiner ausgezeichneten Rodelbahn und seiner Sprungschanze Ziel vieler Ausflügler war.

Das kulturelle Leben, vor allem das Schulwesen (es gab in der Stadt die evanqelische Mackensenschule mit angegliederten Mittelschulklassen, eine katholische Volksschule, eine Berufsschule) erfreute sich der lebhaften Förderung der letzten Bürgermeister Bartsch und Opalka.

Einen denkwürdigen Tag erlebte Passenheim am Tage der Volksabstimmung (11. Juli 1920): Für Deutschland wurden 1459 Stimmen, für Polen 40 Stimmen abgegeben.

Max Meyhöfer in "Ortelsburger Heimatbote" © 1966 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg


Passenheim in der Ordenszeit

Die nachstehenden Ausführungen bringen Ausschnitte aus meiner nahezu abgeschlossenen, auf archivalischer Basis beruhenden Arbeit über die "Geschichte der Stadt Passenheim".

Über den Namen der Stadt hat es in der Literatur eine lebhafte Diskussion gegeben. In den Preuß. Provinzialblättern 1832, S. 605 hat Krupinski seine Ansicht folgendermaßen dargelegt: "Als der Fundator dieser Stadt diese Gegend ins Auge faßte und diesen zwischen Bergen und Seen liegenden Ort für passend fand, mag er gesagt haben: "Die neu anzulegende Stadt bast hier hinein, und so mag nach der damaligen Mundart Bast hinein späterhin der Name Passenheim sich gebildet haben." Diese These ist bei späteren Historikern wie Toeppen, Saborowski, Gollub auf entschiedene AbIehnung gestoßen. Diese Forscher folgen der Ansicht, die der altpreußische Geschichtsofrscher Hartknoch in seinem Werk "Altes und neues Preußen", S. 427, vertritt, der die "Basttheorie als gemeine Rede bezeichnet, welcher auch Henneberger wenig Glaube gibt und es für glaubwürdig hält, daß sie den Namen von Siegfried Walpot von Bassenheim, dem damaligen Komtur von Elbing und Obersten Spittler (1384-1396) erhielt." In einer am 3. August 1386 von Conrad Zöllner von Rotenstein in der Marienburg ausgestellten Urkunde ist unter den Zeugen Walpot von Bassenheim genannt.

Von mehreren Forschern (Saborowski, Kluge) wird die Ansicht vertreten, daß die Stadt mit dem in der Handfeste von Lehlesken (1381) erwähnten Kirchdorfe Heinrichswalde identisch ist. In dieser Urkunde (Ostpr. Foliant 262, S. 131) wird bei der Beschreibung der Grenze gesagt, "daß diese auch die Heinrichswalder Grenze ist". Ferner wird in dieser Handfeste vermerkt, "daß die Besitzer der 40 Hufen von Lehlesken dem Pfarrherrn von Heinrichswalde Weizen geben sollen, von jeglicher Hufen einen Scheffel Roggen und einen Scheffel Hafer". In einer 1381 für Grammen ausgestellten Urkunde wird ebenfalls von einer Zuteilung dieses Ortes zur Pfarrei von Heinrichswalde gesprochen. Da es damals im ganzen Westen des Ortelsburger Amtes keine andere Pfarrei als die der späteren Stadt Passenheim gab, erscheint die Annahme einer Identität von Heinrichswalde und Passenheim hinreichend gesichert. Über die Entstehung des Kirchdorfes Heinrichswalde liegen keine archivalischen Quellen vor, ebenso läßt sich die Annahme Wosins, daß der Name des Kirchdorfes auf Heinrich von Plauen zurückzuführen sei, nicht nachweisen. Bemerkenswert ist, daß der Name Heinrichswalde seit 1386 in keiner Urkunde erwähnt wird.

Über die Privilegierung der Stadt entnehmen wir der Handfeste 1386 (Ostpr. Foliant 382, Bd. 3, S. 269 bis 271) folgende Angaben: Dem Schultheiß von Passenheim Tyle Schewenpflug (Scheinpflug) – der Titel Bürgermeister wird erstmalig in der Erneuerung des Privilegs am 22. Januar 1448 genannt – werden 65 Hufen überwiesen. Von diesem Areal behielt sich der Orden vier Hufen vor, dem Schulzen wurde der zehnte Teil steuerfrei überlassen. Die Auswahl des Landes wurde ihm freigestellt. Neben der Stadt sollte noch ein Zinsdorf angelegt werden. Der Orden setzte hierfür 60 Hufen aus. Vom Dorfacker wurden dem Schulzen sechs Hufen, dem Stadtpfarrer und seinen Nachkömmlingen vier Freihufen zu der Widdem gewährt. Von den Funktionen des Schulzen erwähnt die Handfeste die Einziehung des Zinses, die Handhabung der Polizei und der niederen Gerichtsbarkeit. Die Rechtsprechung über alle schweren Verbrechen, die Gerichte "an halß und haut", die Straßengerichtsbarkeit, die Rechtsprechung über alle Preußen und Polen wurde vom Orden ausgeübt. Unter den "Rechten und Gerechtigkeiten", die der Stadt verliehen wurden, wird an erster Stelle das "Kulmische Recht" genannt. Dieses Recht schloß ein uneingeschränktes Verfügungsrecht über den Grundbesitz sowohl hinsichtlich der Vererbung als auch der Veräußerung ein. Praktisch beschränkte sich der Eingriff des Ordens auf die seltenen Fälle, in denen sich ein Erbe aus der männlichen oder weiblichen Nachkommenschaft des Erblassers nicht fand.

Das Privileg, Handel und Gewerbe zu treiben, wird in der Handfeste nicht ausdrücklich erwähnt. Es wird mit der Anerkennung Passenheims als Stadt als selbstverständlich vorausgesetzt. Als Einrichtungen des Handels und Gewerbes werden genannt: das Kaufhaus, die Krambuden, die Schuh-, Brot- und Fleischbänke und das Schergadem (Herleitung von gadem- Gemach und scheren = Tuch scheren). Der Schultheiß und die Einwohner hatten die Fischereigerechtigkeit im Lehlesker See und im Mühlenteiche, "doch nur zu eigenem Bedarf und nicht zum Verkauf".

Auf das Stadtdorf erstreckte sich das Privileg nicht. Ausdrücklich wird in der Handfeste nur von "Bürgern und Einwohnern der Stadt, dem Schultheißen und seinen Erben" gesprochen. Die Abgaben und Leistungen gegenüber der Landesherrschaft waren mannigfacher Art. Von den 50 Zinshufen – sechs Schulzenhufen und vier Pfarrhufen waren zinsfrei – hatte die Stadt pro Hufe 15 Skot (1 preuß. Mark / 1399 bis 1401 = 24 Skot) zu entrichten. Eine weitere Abgabe, die die Stadt dem Orden leistete, war das Pflugkorn. Diese Abgabe, die auch von den Freien und Zinsbauern gezahlt werden mußte, bestand in der Lieferung von einem Scheffel Weizen und einem Scheffel Roggen von jedem deutschen Pflug, d. h. einer Ackerfläche, die mit einem Pfluge bearbeitet werden konnte. Passenheim lieferte von dem gesamten Areal von 125 Hufen für 24 Pflüge einen gewöhnlichen Satz in einem Scheffel Weizen und einem Scheffel Korn.

Über den Kriegsdienst waren Vereinbarungen im Stadtprivileg nicht getroffen, doch wird man annehmen dürfen, daß er in ähnlicher Weise geregelt war wie in anderen masurischen Städten, die von ungefähr zehn Hufen einen "gewaffneten Reiter" stellten.

Am Schluß der Handfeste wird der Stadt für 15 Jahre Steuerfreiheit zugesichert. Vergleicht man diese Anordnung mit ähnlichen Bestimmungen in Gründungshandfesten anderer Orte, so erscheint die Zeit der Abgabenfreiheit in der Passenheimer Urkunde ungewöhnlich. Sie findet aber wohl ihre Erklärung durch die mit der Gewährung des Stadtprivilegs notwendig gewordenen baulichen Projekte, wie z. B. den Mauerbau. Über die Durchführung dieser Aufgaben findet sich in keiner Urkunde eine Angabe. Auch ist kein Platz vorhanden, der über die älteste Stadtanlage eine Auskunft gibt.

Die erste sichere urkundliche Nachricht nach der Stadtgründung stammt aus dem Jahre 1412. Am 10. April dieses Jahres verlieh Hochmeister Heinrich von Plauen dem Schultheiß von Passenheim Johann Paetzold "um seiner getreuen Dienste willen" 30 Hufen im Felde Camalven zu kölmischem Recht (Ostpr. Fol. 125, S. 123 und Privilegienbuch 262, S. 9). Es handelt sich um das spätere Dorf Kukukswalde. Der Schultheiß und die Dorfeinwohner erhielten das Recht freier Fischerei im See Cromatin (später Waldsee). Sie waren zu zwei Diensten mit Pferd und Wagen sowie zur Abgabe des Pflugkorns, einem Crampf und Wachs und einem köllmischen Pfennig zur Anerkennung der Herrschaft verpflichtet. Eine weitere Handfeste stellte der Elbinger Komtur am Donnerstag Invocavit 1429 für die Stadt aus. Nach dem Ostpreußischen Folianten 262, S. 10 erhielt Passenheim ein Privileg für die Anlage einer Mühle "mit zwei Raden hart an der Stadt gelegen – es handelt sich um die Stelle, an der später die Mühle von Tasch lag – dazu vier Hufen zu culmischem Recht. An Abgaben sollte die Stadt dem Hause Elbing 26½ Mark in preußischer Münze zahlen.

Die Nachrichten aus den ersten Jahrzehnten des Bestehens der Stadt sind sehr spärlich. Erst seit den 40er Jahren des 15. Jahrhunderts fließen die Quellen etwas reichlicher. Als nach dem unglücklichen Kriege zwischen dem Orden und Polen die Regierung des Ordens immer drückender wurde, schlossen sich die Städte "zur Wahrung ihrer Vorrechte und der Rechtssicherheit" zum sogenannten Preußischen Bund zusammen. Auch Passenheim gehörte seit dem 27. Juli 1441 dem Bunde an. Die Akten der Ständetage (Band II und III) berichten von der Teilnahme von Abgeordneten Passenheims an den Tagfahrten jener bewegten Zeit, auf denen u. a. Kampfmaßnahmen gegen den Orden beschlossen wurden. So war Passenheim am 24. September und 21. Oktober 1451 durch Heinrich Popeler und Michael Kogales auf der Tagfahrt in Elbing vertreten (Band III der Ständetage). Auf der Tagfahrt in Marienwerder 1453 wurde auf Grund des energischen Eintretens der Passenheimer "ein Geschoß für Zwecke des Bundes" beschlossen. Am 13. Januar 1454 traten die Passenheimer Berndt Korssener und Caspar Weydem für sofortige Kampfmaßnahmen gegen den Orden ein (Ständetage, Band IV). Am 12. April dieses Jahres genehmigten die kleinen Städte – Passenheim war durch Hans Schröter vertreten – auf der Tagfahrt in Graudenz die Aufnahme von Verhandlungen des Bundes "betreffend Übergabe des Landes an den König von Polen". Auf der Tagfahrt in Graudenz am 13. Juli 1454 wurde von den kleinen Städten – unter ihnen Passenheim – die Aufbringung einer neuen Steuer "zur Befriedigung der böhmischen Söldner" beschlossen. 1455 um Neujahr brachten die Söldner des Ordens den Passenheimern große "Verluste im offenen Felde bei, indem sie sich zugleich ihres Viehs bemächtigten".

Auf der Tagfahrt in Elbing 1456, auf dem Passenheim durch Barthes Lindener vertreten war, wurde über die Notlage der kleinen Städte verhandelt. Es wurde beschlossen, "daß die kleinen Städte fest und getreulich beim Polenkönig bleiben sollten" (Ständetag Bd. V, S. 5). 1459 führte der Komtur von Elbing mit dem Bürgermeister von Passenheim Verhandlungen "wegen Wiederunterwerfung unter die Ordensherrschafft". Vergeblich! Als Rottenführer Georg Loebel, der einen Vortrupp der Ordenssöldner führte, mit einigen 20 Mann in die Stadt gekommen war, ließen die Passenheimer das Fallgatter nieder. Loebel wurde gefangen. Die Ordenssöldner mußten unverrichteter Sache abziehen. – Am 17. September 1462 (Hubatsch, Regesten 15811) richtete der Hauptmann von Ortelsburg Burkart von Querfurt an den Hochmeister die Bitte, Passenheim zu besetzen. Der Hochmeister lehnte ab. 1463, April 9 (Hubatsch, Regesten 15834) berichtete der Bischof Paul von Braunsberg dem Hochmeister "über Anschläge der Hofleute von Passenheim auf Bischofstein".

Am 30. Juli 1464 verzeichnen die Regesten von Hubatsch die Besetzung von Ortelsburg durch die Hofleute von Passenheim. Nach einer Notiz in den Akten der Ständetage (Bd. V, S. 197) sicherte Hochmeister Ludwig von Erlichshausen im Jahre 1466 "allen denjenigen seiner Untertanen, welche während des Krieges sich dem polnischen Könige angeschlossen hatten und nach Friedensschluß unter die Herrschaft des Ordens zurückkamen, namentlich den Bewohnern von Pr.-Holland, Mühlhausen, Passenheim und Brandenburg, Verzeihung zu". Am 23. Oktober des gleichen Jahres (Ständetage Bd. V, S. 197) versprach Hochmeister Ludwig von Erlichshausen "seinen Untertanen für die kommenden 25 Jahre Freiheit von Kriegsdienst und Steuerauflagen, ausgenommen den Fall eines Angriffs der Türken oder Tataren auf das polnische Reich".

Die Lage der Stadt wurde nach der Rückkehr unter die Ordensherrschaft keineswegs günstiger. Auf die verlustreichen Kämpfe, die Passenheim als Mitglied des Preußischen Bundes zu führen hatte, folgte eine Zeit schwerer Bedrückung. Nach dem 2. Thorner Frieden mußte sich der in Finanznot geratene Orden zur Verpfändung mehrerer Städte an Soldnerführer entschließen. Nach einer Notiz in den Hubatsch-Regesten 3247 (1469, Juni 21) verschrieb Heinrich Reuß von Plauen dem Burkart von Querfurt "für seine Sold- und Schadenforderungen die Stadt Passenheim mit dem dazugehörigen Dorfe und der Mühle (ausgenommen die Schneidemühle, den Kalbensee und das Dorf Grammen)". Am 3. April 1479 verpfändete Hochmeister Merten Truchseß "den Hof zu Passenheim mit dem Roßgarten und einem Garten an der Stadtmauer, auch die Zinsen von der Stadt und der Mühle von Passenheim sowie den See Galwen (Kalbensee) für 572 ungarische Gulden dem Niklas Hertel und dessen Frau Gertrud" (Orig. Pergament XXXIX, 4).

Die lange Zeit der Lehnsherrschaft mit ihrer Unfreiheit und steuerlichen Belastung traf die Stadt schwer. Die Hubatsch-Regesten 18199 und 19335 berichten über wiederholte Beschwerden der Stadt über hohe Abgaben. Auf der Tagfahrt zu Königsberg am 29. April 1517 (Ständetag Band V, S. 601) heißt es in den Akten: "Wir armen Leut zu Passenheim beklagen uns, daß wir auf ein jeglich Gebräu acht Groschen mehr geben müssen, wie es den anderen Städten auferlegt ist." Zu diesen Nöten kamen kriegerische Unruhen. Im Ordensbriefarchiv XIV, S. 70 (1520, Mai 2) heißt es: "Verwüstend zieht der Feind durchs Land. Der polnische Heerführer Nikolaus Dzielinski fordert die Stadt zur Übergabe auf. Die Stadt lehnt ab." Der Statthalter von Ortelsburg berichtet am 9. Mai 1520 von "der mutigen Haltung der Stadt Passenheim gegenüber dem Feind". Das Ordensbriefarchiv (Bde 13-15) verzeichnet immer wieder kriegerische Unruhen des Feindes, "die Hohenstein gewonnen haben und auch Passenheim besetzen".

Die Pflege der geistigen Kultur in Passenheim spielte im Ordenszeitalter nur eine bescheidene Rolle. Sie war weniger eine Angelegenheit der Landesherrschaft als der Kirche. In Passenheim war schon 1391 eine Kirche vorhanden. Noch 1796 trug die Wetterfahne diese Zahl. Die Kirche gehörte zum Archipresbyterat Bischofsburg. Als erster Pfarrer ist der Deutschordenspriester Stephan Herder bekannt, den der Hochmeister 1481 als Geistlichen in Passenheim präsentierte. 1485 setzte nach Hartknoch, a. a. O. S. 196 der Pfleger von Ortelsburg den Adalbert Lemchen in die Vikarie der heiligen Barbara in Passenheim ein.

Seit Gründung der Stadt gab es in Passenheim eine Lateinschule. Das älteste Schulgebäude hat wohl bei der engen Verbindung zwischen Kirche und Schule sicherlich in der Nähe der Kirche gestanden. Über die Lehrer und den Unterrichtsbetrieb in der Ordenszeit liegen keine Quellen vor. Erst aus der Herzogszeit sind über den Schulbetrieb einige Nachrichten erhalten.

Max Meyhöfer in "Ortelsburger Heimatbote" © 1969 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg


Passenheim im 16. Jahrhundert

Einen Einblick in die Zustände und Erwerbsquellen der Stadt Passenheim zu Beginn des 16. Jahrhunderts gewährt uns der Ostpreuß. Foliant 911a, 23. Die Quelle enthält das älteste Verzeichnis der Stadteinwohner. Die Liste nennt 82 Hausbesitzer, 6 Büdner am Rathause, 15 Büdner an der Mauer, außerdem 5 Haushaltungen und 9 alleinstehende Personen, Instleute und 8 Handwerksgesellen, zusammen 103 Haushaltungen.

Hausbesitzer: 1. Gusan, 2. Byner, 3. Klung, 4. Heidenreich, 5. Möller, 6. Parschatz, 7. Birzke, 8. Adrian (Schneider), 9. Markus, 10 Pottkuffke, 11. Puchalla (Bäcker), 12. Tewes (Brauer), 13. Benedikt Roczut, 14. Hase, 15. Orklus, 16. Alt Klement, 17. Adrian, 18. Moyn, 19. Axtemann, 20. Bermann, 21. Wolff, 22. Nickel (Tischler), 23. Butcher (Böttcher), 24. Kruschke, 25. Berke, 26. Tschach, 27. Tscherlitzki, 28. Fabian, 29. Woytke (Fischer), 30. Schirsba, 31. Caschuba, 32. Janke, 33. Alt Töpfer, 34. Kratzmarsick, 35. Didumday, 36. Urbanick, 37. Winkelmann, 38. Vinzens Leschnick, 39. Rabe, 40. Steffan, 41. Blasien (Schuster), 42. Spirzing, 43. Franz, 44. Kusch, 45. Urban Lachenicht, 46. Mertin (Müller), 47. Falk, 48. Nicklas (Kürschner), 49. Koroncke, 50. Piontke, 51. Itoffier, 52. Malz (Schneider), 53. Pietzke, 54. Niklas (Schuster), 55. Tscholoch, 56. Voronske, 57. Clement Preuße, 58. Paschke, 59. Eysenbläser, 60. Siegmund, 61. Petruschke, 62. Greger von Michelsdorf, 63. Klein (Zimmermann), 64. Kleinschmidt, 65. Albrecht (Fischer), 66. Hintze, 67. Schmazadke, 68. Geist, 69. Blasau, 70. Ölschläger, 71. Lorck (Fischer), 72. Albrecht Braun, 73. Hans Schmidt, 74. Winter, 75. Bader, 76. Koschke, 77. Schegasko, 78. Job, 79. Steffan, 80. Samplatt, 81. Brusak, 82. Bürgermeister.

6 Büdner am Rathaus: 1. Rost, 2. Casche, 3. Steffan Meltzyn, 4. Kemper, 5. Andres, 6. Kopperschmidt.

15 Büdner an der Mauer: 1. Pasternack, 2. Becherer, 3. Traffal, 4. Vienck, 5. Der Töpper, 6. Alter Kesselbusser, 7. Paul (Fleischer), 8. Langhanns, 9. Woitke (Töpfer), 10. Wanner, 11. Walke, 12. Alte Krupe, 13. Dembowski, 14. Dominkyn, 15. Die alte Witkop.

Instleute: a) 5 Haushaltungen: 1. Ein Mann und ein Weib zum Wechter; 2. Ein Mann und ein Weib zum Geloch; 3. Ein Krigel mit dem Weibe; 4. Michel (Fleischer) mit dem Weib; 5. Kuschak mit dem Weibe; b) 9 alleinstehende Personen: 1. Ein Weib beim Gelmbock; 2. Fromme Schwester; 3. Ein Weib zum Rappe; 4., 5. Zwei Weiber zum Blitzkam: 6. Gussans Tochter; 7. Casche; 8. Pilatim; 9. Große Hedwig.

In Summa: 108 Haushaltungen und 17 Einzelpersonen. Rechnet man 5 Personen auf einen Haushalt, so waren nach der Liste 557 Einwohner vorhanden.

Die Liste 1540 gibt auch über das Steueraufkommen der Stadt Auskunft. Die Höhe der Steuer wurde nach eines jeden Vermögen "von allerlei Gründen und allerlei Vieh" berechnet: Beispiel: Steueraufkommen des Hausbesitzers Gusan: Sein Haus und Erbe wurde eingeschätzt auf 100 Mark. Von diesem Besitz hatte er 18 Schillinge zu entrichten. Von seinem Vieh hatte er 8 Schillinge "Nachtgeld" und ein "Noes" zu zahlen. "Nacht" war eine Einheit des Viehbestandes im 15. und 16. Jahrhundert. Das Nachtgeld war eine Viehsteuer für diese Einheit. Für eine Nacht mußte man zwei Schillinge zahlen. Die Nacht teilte man in vier Teile ein. Für eine "Viertel-Nacht" hatte man die Bezeichnung "noes". Der Hausbesitzer Gusan hatte hiernach von seinem Grundbesitz 18 Schillinge, von seinem Viehbestand: 8 "Nacht" und 1 "Noes" = 16½ Schillinge, in summa also 34½ Schichllinge zu entrichten.

2. Beispiel: Klung: Sein Haus geschätzt auf 50 Mark, davon Steuer 9 Schillinge, vom Viehbestand 1½ Nacht = 3 Schillinge, in summa 12 Schillinge zu zahlen. Die Steuer der Büdner am Rathaus betrug je 9 bis 15 Schillinge, der Büdner an der Mauer je 3–9 Schillinge, der Instleute je 3–6 Schillinge, der Handwerksgesellen je 3 Schillinge. Die Gesamtsumme des Steueraufkommens der Stadteinwohner betrug 1540: 56 Mark und 11½ Schillinge.

Die Steuerliste enthält ferner einige Angaben über Handel und Gewerbe. Nach alter Rechtssatzung war eine Stadt Träger der Marktgerechtigkeit und konnte "bürgerliche Nahrung", das heißt "Handel und Kaufschlagen" treiben. Aus der Steuerliste geht hervor, daß viele Passenheimer neben der Bestellung ihrer Äcker ein Gewerbe betrieben. Es gab 1539 in der Stadt 32 Handwerker und zwar 1 Fleischer, 1 Bäcker, 3 Schuster, 3 Schneider, 4 Schmiede, 3 Tischler, 2 Tuchmacher, 1 Kürschner, 1 Maurer, 1 Zimmermann, 2 Brauer, 1 Böttcher, 3 Töpfer, 1 Fischer, 1 Bader, 2 Müller, 2 Drechsler, 1 Eisenbläser.

Die Handwerker boten auf den am Rathaus zugewiesenen Bänken ihre Waren feil. Die zwei Tuchscherer hatten auf dem Markt ihr "Schergadem". Einer Erklärung bedarf die geringe Zahl der Brauer, weil nach altem Recht das Bierbrauen und Branntweinbrennen in den Städten neben der Landwirtschaft als Hauptnahrungszweig der Bürger galt. Bei den zwei Brauern handelt es sich um Handwerker, die im Brauhaus tätig waren.

Nach dem kulmischen Recht war jedes Haus berechtigt, Bier zu brauen und Branntwein zu brennen. Die Braugerechtigkeit haftete auf jedem Bürgerhaus. Jeder Bürger war berechtigt, das nötige Getreide zum Bierbrauen und Branntweinbrennen einzukaufen. Den Hopfen bauten sich die Bürger in ihren zur Hofstelle gehörenden Gärten zumeist selbst an. Erst in späterer Zeit wurde der Hopfen in der Feldmark in größerem Umfange auf Gütern und in Dörfern angebaut und zum Verkauf auf den Hopfenmarkt zur Stadt gebracht. Das Brauen mußte nach altem Brauch in der Zeit von Pfingsten bis Bartholomaei (24. August) durchgeführt werden. Es durfte auch nicht von den einzelnen Bürgern täglich gebraut werden. Je nach der Größe der Hofstelle waren die Brauzeiten im Brauhaus und die "Gebräusel" festgesetzt. Zu einem "Gebräusel" Bier rechnete man 44 bis 45 Scheffel Gerste, von denen gewöhnlich 18–20 Tonnen Bier gebraut wurden. Wenn jemand brauen wollte, mußte er dies beim Rat der Stadt melden und das Pfannengeld, die Brausteuer, an demselben Tage entrichten. Für jedes Gebräusel waren vier Floren an Pfannengeld zu zahlen.

Trotz all dieser Schwierigkeiten entwickelte sich Handel und Gewerbe in der Stadt günstig. Die Bevölkerung nahm zu. Nach einer im Ostpreußischen Folianten 1283, S.13 gab es 1579 in Passenheim 85 Bürger, 9 Büdner am Ring, 25 Büdner an der Mauer. Es werden in dieser Quelle 44 Handwerker genannt: 2 Fischer, 7 Schmiede, 9 Schuster, 2 Fleischer, 2 Bäcker, 3 Schneider, 1 Ziegler, 3 Maurer, 3 Tischler, 3 Tuchmacher, 2 Drechsler, 2 Müller, 4 Krämer, 1 Töpfer.

In dieser Urkunde vom Jahre 1579 findet die Elbinger Vorstadt die erste Erwähnung. Außerhalb der Mauer werden 17 neue Wohnhäuser erwähnt. Aber die Gravamina der Passenheimer über Bedrückungen hören nicht auf. (Etat. Min. 104a 2, Städt. Angelegenheiten 1549 bis 1717).

Über die kirchlichen und schulischen Verhältnisse in Passenheim fließen die Quellen reichlicher. Mit der Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches evangelisches Herzogtum war eine völlige Neugestaltung des Kirchenwesens verbunden. Schon am 6. Juli 1525 erließ Herzog Albrecht eine Vorschrift für den evangelischen Gottesdienst (Paul Tschackert, S. 34). In ihr heißt es u.a.: "Die Pfarrer sollen das Evangelium lauter und rein predigen. Winkelprediger dagegen als bei dem Worte Gottes zuwider, ungehorsam und aufrührerisch sind, dürfen im Herzogtum nicht geduldet werden. Die Gemeinden aber sollen ihre Geistlichen wie bisher unterhalten. Untersagt sind völlerisches Zutrinken, ungesundes Schwören und Fluchen, unordentliches Leben außerhalb der Ehe. Die herzoglichen Amtsleute sollen auf Winkelprediger und unchristliche Lehrer achten, sonderlich auf solche, welche das "Bockheiligen" (ein heidnisch-altpreußischer Brauch, bei dem unter Anrufung der alten heidnischen Götter ein Bock geschlachtet und verzehrt wurde) oder welche Wahrsagen treiben, ein ernstliches Aufsehen halten, wenn Leute von solchen verbotenen Übungen nicht abzubringen wären, mit Strafe gegen sie vorgehen."

In Kirchenvisitationen überzeugten sich die Bischöfe von der Verbreitung der reinen Lehre. Die Passenheimer Kirche unterstand der Aufsicht des pomesanischen Bischofs Erhard von Queiß. Dieser bekannte sich am Sonntage nach Luciae 1523 in seiner Predigt zur Lehre der Reformation. Einige Jahre später kamen aus Schlesien, dort des Landes verwiesen, die Sakramentarier oder Anabaptisten auch nach Passenheim und bemühten sich, die Prediger auf ihre Seite zu ziehen, was ihnen auch gelang. Denn auf einer von dem lutherischen Bischof Paul Speratus 1533 in Rastenburg angesetzten Synode wurde dieserhalb auch der Passenheimer Pfarrer aus dem Lande gewiesen. Aus dem 16. Jahrhundert sind uns auch die Namen einiger Pfarrer in Passenheim bekannt.

In dem Nachlaß Möller, Band 49, im Göttinger Archivlager finden sich folgende Namen:
1. Martin 1533 (dimittiert)   2. Andreas Samuel, vorher Erzpriester in Gilgenburg (1547-1549)   3. Nikolaus Glitzner (1549-1550), vorher Pfarrer in Ortelsburg   4. Hermann Urban. Am 1. Mai 1553 nahm er an der Osteroder Synode teil   5. Bartholomäus N. um 1554   6. Martin Stoltzer 1567-1579   7. Nikolaus Orlowius um 1585   8. Jonas Grube um 1594   9. Thomas Marcus, gestorben 1603

Aus dem Bericht über die Kirchenvisitationen, die 1529 in Vertretung des Bischofs von Pomesanien der Erzpriester Meurer aus Rastenburg, seit dem Jahre 1571 der Bischof Dr. Johann Wigandus abhielt, ist eine Urkunde aus dem Jahre 1579 von besonderer Bedeutung: Sie enthielt ein Verzeichnis der zur Passenheimer Gemeinde gehörenden 20 Ortschaften. Es waren folgende: Stadt Passenheim, Milucken (10 H. = 10 Hufen), Scheufelsdorf (30½ H.), Michelsdorf (26½ H.) Kurken (12½ H.), Mareyten (30 H.), Schwirgstein (40 H.), Waplitz (40 H.), Georgensguth (24 H.), Lehlesken (40 H.), Schützendorf (50 H.), Gr. Rauschken (30 H.), Grammen (60 H.), Gilgenau (60 H.), Kukukswalde (63 H.), Krumfuß (20 H.), Saborowen (80 H.), Gonscherowen (40 H.), Strzelnik (11 H.)

In dieser Urkunde wird zum ersten Male ein "Hospital für arme und kranke Leute" erwähnt. Als Kirchenväter werden in diesem Jahre genannt: Bastian von Mühlen, Roman Popiolki, Adrian von Gilgenaw, Gregor Möller, Clement Kremer. Die Spital-Herren waren Bastian Lichtenstein, Thomas Käusel, Brosy ufm Berge, Matz, Klumke.

Über die Gehaltsverhältnisse der Pfarrer finden sich in den Ostpreußischen Folianten 1282/83 im Jahre 1579 folgende Nachrichten: "Bisher hat der Pfarrer 4 Hufen Land und 70 Mark zu seiner Besoldung. Weil er aber tüchtig und fleißig ist, soll ihm die Besoldung auf 80 Mark erhöht werden. Auch soll ihm sein Widdem (Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude) ausgebaut werden. Der Caplan Daniel Kerstan, bisher 60 Mark, soll auf 65 Mark erhöht werden." Zum Gehalt steuerten die Bürger ab 150 an Dezem bei: die Bürger und Zinsbauern je 18 Schilling, die Handwerker je 4 Schilling, die Instleute je 2 Schilling.

Über das Schulwesen in Passenheim finden sich im Ostpreußischen Folianten 1282, S. 490 einige Nachrichten. Hier heißt es: "Der Lehrer heißt Jonas Bradtka. Weil nun eine ziemliche Anzahl von Knaben in der Schule ist und einer allein mit Nutz und Frommen der Knaben nicht kann fürstehen, soll neben dem Schulmeister Jonas Bradtka ein Kantor (Caspar Halbroch) gehalten werden. Er soll eine Besoldung von 50 Mark erhalten. Der Schulmeister hat bisher bei den Bürgern einen "Tischumbzech" (Reihumessen) gehabt, fortan aber sollen die Bürger 20 Mark "zusammenlegen". Später (1586) wurde diese Entscheidung geändert. Im Ostpreußischen Folianten 1281, S. 320 heißt es: "Es wird nunmehr bestimmt, daß der erbare Rath jährlich durch gemeines Zusammenlegen und Schoß 10 Mark zum Tisch oder Kostgeld reichen und daß ihm die Kirchenväter die anderen 10 Mark aus der Kirchenkasse geben sollen."

Die Passenheimer Kirch- und Pfarrschule war eine Trivialschule im Stil der alten Lateinschule des Mittelalters. Es wurde nicht nur Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion und Kirchengesang unterrichtet, sondern auch in der Kunde des Triviums, in Grammatik, Rhetorik und Dialektik. Der Schulbesuch war nicht obligatorisch.

Max Meyhöfer in "Ortelsburger Heimatbote" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg


Passenheim im 17. Jahrhundert

Der Beginn des 17. Jahrhunderts stand im Zeichen des Wirtschaftskampfes zwischen Passenheim und Ortelsburg. Die Erklärung des Amtshauptmanns Andreas von Eylenburg im Jahre 1603, daß Ortelsburg neben einem Jahrmarkt einen Wochenmarkt einrichten dürfe, gab den Anlaß zum Ausbruch des offenen Streites. Wiederholte Beschwerden der Passenheimer bei den Regenten des Herzogtums blieben ohne entscheidenden Erfolg. Wohl erreichten sie es, daß die Oberräte in Königsberg dem Hauptmann die Abschaffung des Wochenmarktes befahlen; jedoch ist es bei diesem Befehl geblieben.

Die städtischen Vorrechte mit der Möglichkeit großer Verdienste lockte immer mehr Ansiedler nach Ortelsburg. Der wachsende Verkehr mit Polen zog den kürzeren Weg über Ortelsburg vor. Noch hofften die Passenheimer durch Berufung auf ihre "uralten Rechte" die natürliche Entwicklung der Dinge hemmen zu können. Die Eingaben der Stadt an die Regierung, inhaltlich den früheren gleich, nahmen an Schärfe zu. Den stärksten Rückhalt fanden die Passenheimer bei den Vertretern der Städte auf den Landtagen. Die Landtagsakten (Ostpr. Folianten 570, 571, 572, 575, 576 und 577) im Göttinger Archivlager zeugen von den Bemühungen der Passenheimer, die Fürsprache der Landtage für ihre Ziele zu gewinnen. So heißt es im Ostpreußischen Folianten 572, S. 448, auf dem Landtage 1605/06: "Die Stadt Passenheim ist hoher Beschwer, daß Ortelsburg, so kein Stadtrecht hat und von langer Zeit her das Bier von Passenheim zu holen schuldig gewesen, ganz ohne jede Gerechtigkeit das Bierbrauen, verschenken und ausspunden vornimmt." 1605 (Ostpr. Foliant 574, Bd. 290) bittet Passenheim erneut, "daß die hochschädlichen Märkte bei den Kirchweihen in Ortelsburg abgeschafft werden". In den Akten des Ostpr. Folianten 576 und 587, S. 527, ist immer wieder von den Beschwerden der Passenheimer die Rede.

Mit Unterstützung der Landtage erreichten es schließlich die Passenheimer, daß die Regierung ihren Fiscal Gnadcovius nach Ortelsburg schickte, um den Streit an Ort und Stelle zu schlichten. Er entschied, daß das Brauen der Ortelsburger aufhören solle. Die Ortelsburger reichten zahlreiche Gegenvorstellungen ein, schickten Abgeordnete nach Königsberg und sogar nach Berlin. Ihre Anstrengungen wären ohne Erfolg geblieben, wenn sie nicht schließlich die Verpflichtung auf sich genommen hätten, jährlich 20 Last = 30 000 Liter Amtsbier von ihrem eigenen Gebräu auszuschenken. Mit dem Hinweis, daß diese Verpflichtung dem Amt jährlich 1200 Mark einbrächte, d. h. mehr als alle Passenheimer Einkünfte von zwei Jahren zusammen, erreichten sie am 18. Dezember 1615 den Entscheid, daß sie weiter brauen dürften. In bezug auf die Marktgerechtigkeit entschieden die Visitatoren, "daß die Amtsuntertanen Waren und besonders Überschüssiges Getreide zum Verkauf anderswo nirgendshin als in die Städte Passenheim und Ortelsburg führen und bringen sollten." Diese Entscheidung wurde von Kurfürst Johann Sigismund in einer Handfeste vom 26. April 1616 bestätigt (Etats-Minist. 132, Bd 3596). In dieser Urkunde heißt es u. a.: "Die wöchentlichen Markttage, so vormals in Passenheim im Schwange gewesen, werden jetzo aber nicht gehalten, weil gar keine Landstraße und Zufuhr mehr ist."

So endete der Wirtschaftskampf zwischen Passenheim und Ortelsburg damit, daß Ortelsburg als existenzberechtigte Gemeinde neben der alten Stadt anerkannt wurde.

Trotz dieses Mißerfolges bewahrte Passenheim in den nächsten Jahrzehnten seine alte Position. Ein gutes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung des Städtleins gewährt eine Betrachtung der Marktverhältnisse. In der Regel fand im Frühjahr und im Herbst ein Jahrmarkt oder Kirmes statt. Über den Besuch dieser Märkte durch Verkäufer geben die Angaben in den Amtsrechnungen über eingenommene Markt- und Standgelder Auskunft:   1620: Ortelsburg (O) = 1 Mark 15 Schilling   Passenheim (P) = 1 Mark 48 Schilling   1632: 2 Jahrmärkte: O = 10 Mark 57 Schilling   P = 13 Mark   1634: 2 Jahrmärkte: O = 7 Mark 21 Schilling   P = 13 Mark   1638: 2 Jahrmärkte: O = 6 Mark 12 Schilling   P = 19 Mark 46 Schilling   1644: 2 Jahrmärkte: O = 3 Mark   P = 18 Mark   1648: 2 Jahrmärkte: O = 3 Mark 20 Schilling   P = 19 Mark 17 Schilling

In den Jahren 1650 bis 1657 fehlen die Angaben über die Markt- und Standgelder, da das ganze Amt an den Amtshauptmann in Zeitpacht gegeben war.

An dem guten Besuch des Jahrmarktes von Passenheim hatte das Handwerk einen großen Anteil. Von der günstigen Entwicklung zeugt eine stattliche Anzahl von Handwerksrollen. Im Ostpreußischen Folianten 934, S. 8 ff., sind folgende Gewerksrollen aufgeführt:   1611 : Rolle der Schuster   1612 : Rolle der Kürschner   1612 : Rolle der Tuchmacher   1612 : Rolle der Böttcher   1638 : Rolle der Tuchmacher   1638 : Rolle der Töpfer   1644 : Rolle der Grobschmiede   (Ostpr. Fol. 978, S. 12).

Große Sorge bereiteten der Stadtverwaltung die erhöhten Abgaben, die durch die wachsenden Bedürfnisse des Staates benötigt wurden. Da gab es die Akzise, eine indirekte Steuer, die vorwiegend von Verbrauchsgegenständen des täglichen Lebens erhoben wurde. Die Akzise traf vor allem das Brauwerk, sie hieß deshalb auch Tranksteuer. Die Zahlung der Tranksteuer löste in den Landtagen viele Debatten aus. So heißt es in Band 594 der Landtagsakten (S. 185): "Die Stadt Passenheim erklärt am 14. Februar 1611 wegen der Tranksteuer, daß wir wegen schwerer teurer Zeit und hoher Armut, weil durch die Ortelsburger uns ein Stück Nahrung entzogen wird und die Bürgerschaft dieser Stadt in Untergang bürgerlicher Nahrung geraten, daß auch Mälzenbrauhäuser leer und wüste stehen müssen, noch zur Zeit wegen klagender Armut nichts eingenommen, also können wir solche Contribution nicht von uns geben."

Zur Aufbringung der Contribution war jedes "ganze Haus" auf 300 Mark, jedes "halbe Haus" auf 150 Mark, die acht Buden an dem Ringe zusammen auf 850 Mark, die 10 Buden an der Mauer zusammen auf 500 Mark, die 30 Buden in der Vorstadt zusammen auf 100 Mark geschätzt. Die Grundabgaben in Passenheim bleiben in dieser Periode (17. Jahrhundert) im wesentlichen unverändert. Im Gegensatz zu den Jahrmärkten scheint der Wochenmarkt von Anfang an zum größten Teil städtische Angelegenheit gewesen zu sein. Denn hier erhob die Stadt für sich u. a. Tor- und Brückengeld von den Auswärtigen und das Brot-, Fleisch-, Schuster-Bänkengeld von den Einheimischen. Bei einer Beurteilung der städtischen Finanzen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts kommt man zu dem Schluß, daß die Stadt keine Schulden hatte.

Die wohl schwerste Katastrophe ihrer Geschichte erlebte die Stadt im "Zweiten Schwedisch-Polnischen Krieg". Beim Einfall der mit den Polen verbündeten Tataren wurde die Stadt am 19. November 1656 ein Raub der Flammen. Viele Einwohner wurden niedergemetzelt oder verschleppt. Der Geschichtsschreiber Georg Christoph Pisanski hat über dieses Ereignis einen ausführlichen Bericht (abgedruckt in "Masovia", Nr. 8) geschrieben, aus dem wir einige Stellen wiedergeben: "Daß das Hauptamt Ortelsburg diesem Einfall ausgesetzt gewesen, erhellet aus der Verheerung der Stadt Passenheim. Im Dezember 1656 ließen sich die feindlichen Scharen vor derselben sehen. Die gute Mauer, so um diese Stadt gezogen war, machte den Einwohnern einigen Mut, die Räuberhaufen abzuhalten. Die Bürger besetzten sie, schossen von oben auf die anrückenden Feinde und hielten sie dadurch von der Stadt ab. Da ihnen dies glücklich vonstatten ging, wagten sie sogar einen Ausfall zu tun und ließen sich mit dem feindlichen Heere, das eben nicht sehr zahlreich zu seyn schien, vor dem Tore in ein Scharmützel ein. Allein ihre Tapferkeit war zu weit gegangen. Sie zogen den kürzeren und flohen nach der Stadt zurück, aber zugleich brach der nachsetzende Feind mit desto größerer Erbitterung in dieselbe. Was ihm entgegenkam, wurde niedergesäbelt oder gefangen genommen, sodaß fast kein einziger Bürger übrig blieb. Die Stadt ward angezündet und bis auf die Kirche in Asche gelegt. Der nachmalige Professor in Thorn und berühmte preußische Geschichtsschreiber Christoph Hartknoch befand sich damals als ein Knabe von 12 Jahren an diesem Orte, an welchem sein Vater Andreas Hartknoch zur selbigen Zeit das Predigtamt verwaltete. Bey erschollener Nachricht, daß der Feind bereits innerhalb der Thore sey, nahm er nebst einigen anderen Schülern aufs eiligste seine Flucht in die Schule, welche auf der Stadtmauer gebauet war. Aus derselben ließ ihn Rektor Michael Battalovius durch das Fenster über die Mauer hinab, damit er sich über den befrorenen See nach dem Walde retten könnte. Er tat solches mit Zittern und Thränen bey einer augen scheinlichen Lebensgefahr, weil das schwache Eis sich unter seinen Füßen bog und der See noch nicht einmal allenthalben damit beleget war. Indessen mußte ihm und anderen, welche auf selbigem Wege aus der Stadt flüchteten, dieser Umstand zum Vorteil dienen. Denn die Feinde, welche ihm nacheilten, durften sich zu Pferde auf das dünne Eis nicht wagen. Die Flüchtigen aber waren schon so weit, daß die ihnen nachgeschossenen Pfeile sie nicht erreichen konnten. Den dritten Tag darauf fand endlich Hartknoch sich mit seynen Älteren zusammen. Der Vater war noch unversehrt davongekommen, die Mutter dagegen war sehr verwundet, ein Bruder und eine Schwester aber waren in die Sklaverey geschleppt worden." Soweit der Bericht von Pisanski. – In dem Königsberger Stadtarchiv befand sich die Abschrift eines Kurfürstlichen Patents, durch das dem Passenheimer Prediger die Erlaubnis erteilt wurde, für den Loskauf seiner gefangenen Kinder Almosen zu sammeln.

Der Tatareneinfall traf die Stadt schwer. Hartknoch schreibt im Jahre 1684: "Passenheim ist in ziemlichen Flor gewesen. Allein als die Stadt 1656 bis auf die Kirche verbrannt und ruinieret, als die Landstraße auf andere Orte gemacht, hat sie sich noch nicht erholen können." Und im Etats-Ministerium 104 e 2, S. 572, findet sich im Jahre 1690 folgende Notiz: "Das armselige Städtlein Passenheim nahe der Grenze nach 1656 geschehener Einäscherung und gänzlichem Ruin spricht von einer feindseligen Haltung der Polen. Da Passenheim die damalige zur Nahrung höchst dienliche Landstraße dadurch gänzlich benommen und die Reisenden ihm eine andere Passage ausgesucht haben, sodaß nunmehr kein einziger reisender Mensch etwa nach Polen oder von dort passieret, die Märkte nicht besucht außer den drei Jahrmärkten im Jahr, sodaß dieses Städtlein außer alle Nahrung Handel und Wandel gesetzet. Die sich mehrende Bürgerschaft muß sich schlechterdings des kummervollen, beschwerlichen Ackerbaues bedienen. Die Stadt bittet daherum Gewührung eines 4. Jahrmarkts." Die Bitte der Stadt wurde abschlägig beschieden.

Über die wirtschaftlichen Verhältnisse Passenheims bringt der Ostpreußische Foliant 737 im Rahmen einer Untersuchung der sämtlichen kleinen Städte des Herzogtums Preußen durch eine kurfürstliche Kommission einen ausführlichen Bericht vom 7. April 1693. Der Kommission gehörten an: Friedrich Ungefug, Bürgermeister von Bartenstein; Johann Pöhling, Richter und Stadtschreiber von Friedland; Michael Schwarz, Ratsverwandter zu Wehlau; Johann Fabian Tonsing, Stadtschreiber in Neidenburg. Aus diesem Bericht bringe ich einige Angaben:

"Die Stadt liegt zwischen zwei Seen, hat eine gute Ringmauer. Die Häuser sind zwar schlecht und mehrenteils nur ein Geschoß mit Stroh gedeckt, doch mit Schornstein gebaut. Auch haben sie dabei gute Stallungen und 27 Morgen Hausacker, auch Raumbequemlichkeit und gute Scheunen. Der Acker ist mittelmäßig, hat notdürftigen Wiesenwachs. Das Stadtareal umfaßt 152 H 19 Morgen 261 Ruten. Häuser sind: 49 ganze als bebauet, drei alte und 21 wüste, 43 halbe, davon vier wüst, 10 Hakenbuden an der Mauer, 7 Buden am Ring, 3 Buden in der Vorstadt. Der Hegewald hat viel Holz, auch Honigbeuten. Die Größe der Häuser ist ungleich, 24 bis 123 Schuh lang, 5½ bis 28 Schuh breit.

Stadteinnahme anno 1690: 821 Mark 18 Schilling, Ausgaben: 905 Mark Schilling. Schulden sind am 16. Februar 1691 abgezahlt. AIs Grundzins gibt ein ganzes Haus 2 Mark, ein halbesHaus 1 Mark 10 Groschen, eine Bude in der Stadt: 4 Groschen, eine Bude an der Mauer: 10 Groschen eine Schusterbank.

An Accise sind vom Juli 1690-1691 (ultimo) 312 Reichstahler 59 Groschen an die Kriegskammer abgeführt. Ein Brauhaus, da alle brauen, ist vorhanden, ebenso ein Malzhaus. Eine Braupfanne à 8 Thonnen stehet im Brauhaus. Braugerechtigkeit: Ein ganzes Erbe braut alle vier Wochen, ein halbes Erbe alle 8 Wochen, je 18 Scheffel. Vom Februar 1692-1693: 140 Gebräu.

Vorhanden: Eine Mühle mit zwei Gängen. Die Bürger haben in den kurfürstlichen Seen rund um die Stadt und im Mühlenteich freie Fischerei mit kleinem Gezeuge. Die Passenheimer haben Wald und Holz genug, hegen aber solches, holen Holz aus den kurfürstlichen Wäldern.

Handel und Wandel bestehet im Brauen, wenigem Handwerk und Ackerbau. Jahrmärkte: 3. Vor dem Brand waren auch Wochenmärkte, nun aber nicht. Wert der Häuser: Bei jedem ist, ohne die Kaufhube, fast eine halbe Hufe Acker. Ein Haus gilt zum höchsten: 450 Mark, eine Hube Landes um 200 bis 300 Mark. 10 Mark kostet ein Budenplatz.

Keine Landstraße führt hier durch, gehen alle an der Stadt auf 2 Meilen vorbei. Viktualien sind hier außer Fisch nicht wohl zu bekommen. Maß und Gewicht: Der Scheffel soll 56 Stof seyn, ist aber nur 52 Stof. Eine Walkmühle ist der Stadt eigen. Fleischer: 2. Ein Brunnen stehet am Brauhaus. Eine Brücke ist an der Mühle.

Im Rat sind 6 Personen, im Gericht 9 Personen. Der Stadtschreiber hat 50 Mark pro salario."

In diesem interessanten Bericht sind folgende Feststellungen besonders bemerkenswert:   1. Die Stadt ist 1691 schuldenfrei.   2. Der Wiederaufbau der Häuser nach dem Tatareneinfall 1656 ist innerhalb der Stadtmauer bei den "ganzen Häusern" zur Hälfte, bei den "halben Häusern" bis auf vier durchgeführt. Von den eingeäscherten Buden in der Elbinger Vorstadt sind nur drei wiederaufgebaut.   3. Der Handel in der Stadt ist stark zurückgegangen. Der Hauptverkehr führt an der Stadt vorbei.   4. Die Einwohner leben zum größten Teil vom Brauen und vom Ackerbau.

Über die kirchlichen Verhältnisse der Stadt geben die Generalvisitationsberichte und der Möllersche Nachlaß Auskunft. Zur Passenheimer Kirche gehörten im 17. Jahrhundert außer der Stadtgemeinde 20 Dörfer. Im Möllerschen Nachlaß werden folgende Pfarrer genannt: Thomas Marcus um 1600, M. Zacharias Otto um 1620, Johann Schnitzenbäumer um 1640, Andreas Hartknoch um 1658, Michael Ludowicus um 1665, Christoph Mettner um 1673, Andreas Nowack um 1690. Möller verzeichnet folgende Diacone: Jonas Grube um 1600, George Bernhardt um 1610, Andreas Hartknoch von 1644-1657, Paulus Prostker um 1660, Michael Lichotius um 1665, Johann Stephan Latzanowski um 1669, Christoph Eichelius um 1690.

Nach der Kirchenrechnung 1672 (Ostpr. Foliant 7998) betrug die Einnahme der Kirche 3267 Mark, 35 Groschen, die Ausgabe 999 Mark, 21 Groschen; die Freien zahlten in diesem Jahr pro Hufe 16 Schilling, die Bauern 18 Schilling Kirchendezem. Außerdem wurden von jedem Wirt 15 Schilling "Rauchgeld", eine Art Hauskirchensteuer erhoben. Nach dem Ostpr. Folianten 737 betrugen 1694 die Einnahmen der Kirche 5232 Mark, die Ausgaben 1055 Mark. Über das Verhalten der Pfarrer innerhalb der Gemeinde ist in den Kirchenvisitationsberichten nichts Ungünstiges vermerkt. So heißt es z. B. im Ostpr. Folianten, Band 1289, S. 122, in dem Kirchenvisitationsbericht vom 13. Januar 1694: "Die Pfarrer haben der Gemeinde die reine Lehre des Heil. Evangeliums vorgetragen, mit einem unsträflichen Leben und Wandel ihnen vorgeleuchtet, niemals von ihr etwas Unbilliges exigieret. Die Geistlichen sind auch mit ihrer Gemeinde voll zufrieden und wissen keine öffentlichen Verächter des Heil. Sakramentes."

Von der Schule erfahren wir im 17. Jahrhundert sehr wenig. Der Schulmeister, Rektor genannt, war zugleich Kantor und Organist. In der Regel war der Schuldienst die Vorstufe zum Pfarrdienst. Gehaltlich waren die Schulmeister nur wenig besser gestellt als in der vorigen Epoche. 1694 wurden dem Rektor 50 Mark jählich aus der Kirchenkasse gezahlt, welche Summe bis 1702 auf 20 Taler (= 90 Mark) gestiegen ist. Daneben hatte der Rektor die Nutzung des Schullandes. Seit 1686 mußten dem Rektor für jedes Schulkind jährlich ein Fuder Holz geliefert werden.

Wie die Schule, so stand auch das Hospital unter der Aufsicht des Pfarrers. Die alten und siechen Gemeindearmen mußten sich beizeiten mit drei bis vier Talern hier einkaufen. Dadurch und durch milde Stiftungen war es möglich, eine eigene Kasse zu führen. 1694 betrugen die Einnahmen der Hospitalkasse 193 Mark 1 Schilling an Almosengeldern, die Ausgaben 167 Mark und 28 Schilling.

Max Meyhöfer in "Ortelsburger Heimatbote" © 1972 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg


Das Handwerk in Passenheim

Schon in der Ordenszeit hat das Handwerk in Passenheim eine Rolle gespielt. In der Gründungshandfeste der Stadt vom Jahre 1386 (4. August) werden Tuchmacher, Schuster, Bäcker, Fleischer erwähnt. Die einzelnen Gewerke gewannen bald so viele Mitglieder, daß sie sich nacheinander zur Wahrung ihrer Vorteile zusammenschlossen und ihre Zunftmitgliedschaft durch Gewerksrollen bestätigen ließen.

Beim Studium der urkundlichen Unterlagen für die Passenheimer Stadtgeschichte fand ich im Göttinger Archivlager in den Akten des Etats-Ministeriums, des Oberpräsidiums und der Ostpreußischen Folianten eine stattliche Anzahl handgeschriebener Handwerkerrollen aus vier Jahrhunderten. Sie gewähren uns einen interessanten Einblick in Leben und Organisation des Passenheimer Handwerks.

Die Rolle war das wichtigste Dokument des Gewerks. Sie enthielt die Rechte und Pflichten, die sich die Zunft selbst unter Zustimmung des Rats und der Landesherrschaft gab. Sie wurde auf starkes Pergament geschrieben und zusammengerollt in einem Behälter aus Leder oder Blech, in der Lade, dem Wahrzeichen der Zunft, aufbewahrt. Genaue Befolgung der Artikel war für jeden Zunftgenossen unumgängliche Pflicht. "Wenn der Elteste", so heißt es in der Rolle der Grobschmiede vom 2. Dezember 1644, "die Werklade aufschließt, sollen alle Werksbrüder mit entblößten Häuptern dasitzen und was der Elteste kundgibt, sollen alle Beysitzer und Werksbrüder fleißig aufmerken, und welcher Brüder beim Spruch schlummert oder schläft, büßet er ein halbes Pfund Wachs in die Lade".

Am Anfang jeder Gewerksrolle stand für den Zunftgenossen die Pflicht, sich eines religiösen und sittlichen Lebens zu befleißigen. So heißt es in der Rolle der Kürschner vom 16. April 1612: "Ein jeder soll vor das erste sein Seelenheil und Seeligkeit wohl betrachten, nicht allein sich selbst sondern auch seyn Weib, Kinder und Gesinde alle Fest-, Sonn- und Feiertage fleißig zur Predigt und göttlichem Worte halten, bey Strafe von fünf Groschen. Es sollen auch alle Gewerksbrüder sich züchtig, erbar und aufrichtig verhalten und brüderlich und so wie es Christen gebühret mit einander leben." Bei Zusammenkünften "wenn Bruderbier getrunken wird" (Rolle der Schuster vom 4. April 1611), "soll kein Bruder sich schnöder, üppiger Wort, stachlicher und gefährlicher Rede hören lassen; wer dagegen verbricht, soll dafür nach Entscheidung des Werks büßen und von der Obrigkeit mit Gefängnis belegt werden". Zu dem "Brüderlich-miteinander-Leben" gehörten nach der Handwerksrolle der Böttcher und Drechsler vom 1. April 1612 folgende Pflichten: "Wenn ein Werksbruder mit Krankheit behaftet und seine Arbeit nicht fertigen kann, so sollen ihm die anderen Meister auf sein Bitten einen Gesellen auf 14 Tage leihen. Würde auch ein Geselle bei einem Meister krank, also daß er nicht arbeiten und verdienen kann, sollen die anderen Gesellen, welche allhier arbeiten, ihn fleißig besuchen und ihm Handreichungen zu tun ein jeder nach Vermögen schuldig und pflichtig sein."

Die Gemeinschaft des Gewerks trat besonders beim Tod eines Meisters in Erscheinung: Rolle der Töpfer vom 27. April 1644: "So oft jemand aus diesem Werke verstürbet, so sollen alle Werksbrüder und Schwestern mit zu Grabe gehen. Wer von ihnen ohne erheblichen Grund ausbleibt, der soll zur Strafe geben zehn Groschen in die Lade."

Ein großer Abschnitt der Zunftrolle war der gewerblichen Aufgabe der Zunft gewidmet. Einerseits wurde die Zunft aufgefaßt als Amt zum Besten des Gemeinwesens. Daher wurden die Zunftgenossen bei ihrer Arbeit auch vom Rat der Stadt beaufsichtigt, daher wurden feste Preise festgesetzt, daher wurden Strafen bei Übertretung angedroht. Preisabsprachen waren damals wie heute verboten.

Andererseits wollte die Zunft als eine Einrichtung zum Besten der Zunftgenossen gelten. Daher schloß sie den freien Wettbewerb aus, deshalb verlieh sie jedem Zunftgenossen die gleichen Rechte. Es wurde dafür gesorgt, "daß nicht einer den anderen an seiner Nahrung hindere" (Schusterrolle 1611). "Es soll kein Meister dem anderen schaden durch Hausieren, Abberufen der Käufer, Verachtung der Ware oder Verführung des Gesindes", worunter man die Abwerbung der Gesellen zu verstehen hat. Mit zwei Reichstalern wurde der Meister bestraft, der bei Verstößen dieser Art überführt wurde

In die Reihe dieser Maßnahmen gehört auch die Festsetzung der Zahl der Verkaufsbänke für jedes Gewerk. Die Handwerker durften fertige Waren keineswegs in ihren Häusern verkaufen, sondern mußten dazu feste Stellen, die "Bänke oder Banken", benutzen. Die befanden sich zumeist bei dem Rathaus, jedenfalls auf dem Markt, und wurden von dem Rat zur Benutzung verpachtet. Ein Teil der Erträge fiel an die Landesherrschaft, ein anderer Teil an die Stadt. Die Stadtobrigkeit beaufsichtigte die Bänke durch Wettgerichte, eine Art Polizei und Handelsgericht. Wettherren waren zumeist Mitglieder des Rates. Neben ihnen prüften Vertreter der Innungen die ausgelegten Waren auf ihre Güte hin, auf rechtes Maß und Gewicht. Dadurch wurde verhindert, daß Nichtberechtigte, Auswärtige unbefugt Ware feilhielten.

Besonders streng wurden die "Bönhasen" verfolgt (Bön = Boden, Lucht, Hase = ein frei in der Natur herumspringendes Tier). Die Bönhasen arbeiteten nicht wie die rechtmäßigen Meister offen in der Werkstatt, sondern verkrochen sich zu heimlicher Arbeit auf die Böden.

Die Laufbahn jedes Handwerkers vom Lehrling bis zum Meister war in den Zunftrollen genau festgelegt. So heißt es in der Gewerksrolle der Grobschmiede: "Wenn einer Meister dieses Gewerkes der Schmiede werden will, der soll zwey Jahr und nicht darunter bei einem ehrlichen Meister allhier oder anderswo ausgelernet und daselbst zum Gesellen gesetzet und hernach drey Jahre gewandert haben; nachdem soll er bei E. E. Rat anhalten, daß er für einen Bürger mag gehalten werden, alsdann mag er zum Eltermann kommen und mit ehrbarem bescheidenen Worte ihn bitten, das Werk zu verbotten (zusammenzurufen) und dann seine Notdurft anbringen, ein ehrlich Geburts- und Lehrbrief aufweisen und darlegen, alsdann soll ihm die Meisterschaft nicht abgeschlagen werden, doch also, daß er zuvor als Meisterstück beim Eltermann eine Holzaxt, ein Hufeisen und ein Zimmerbeil mache und, wenn das verfertigt ist, soll ein ganzes erbares Werk das beschauen und, so Mangel befunden wird, ein jeder Mangel mit 25 Schilling verbüßet werden."

Über die Feier bei Aushändigung des Meisterbriefes wird folgendes gesagt: "Wenn einer als Meister erkannt wird und die Schmiedezunft gewinnen will, soll er ein Faß Bier zur Meisterkost geben und eine ehrliche Mahlzeit ausrichten, damit die Brüder und Schwestern content seyn mögen, daneben 3 Margk preuß. in die Lade, zwei Pfund Wachs der Kirche und 20 Schilling Verbottgeld dem Werk geben."

Für die Entwicklung des Handwerks wurde die Stein-Hardenbergsche Reform von entscheidender Bedeutung. Durch die Edikte vom 2. November 1810 und 7. September 1811 wurde die starre Abgeschlossenheit des alten Zunftwesens endgültig aufgehoben. Jeder, der sich einen Gewerbeschein löste und die Gewerbesteuer bezahlte, durfte fortan ein selbständiges Gewerbe ausüben. Mit der Zerstörung des alten Zunftwesens durch die Gewerbefreiheit schwand aber alsbald der auf lange erprobter, moralischer und beruflicher Tüchtigkeit beruhende Ruf der alten Gewerke dahin. Das Pfuschertum breitete sich ungehindert aus. Erst die allgemeine Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 schritt dagegen ein, indem sie den Betrieb vieler Handwerke von dem Befähigungsnachweis durch eine Innung abhängig machte.

Max Meyhöfer in "Ortelsburger Heimatbote" © 1968 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg


Weitere Informationen finden Sie in dem Buch "Passenheim Zeiten einer Stadt" von Georg Michels