Landgemeinde Wilhelmsthal (Gawrzialken)   [Gawrzyjałki]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Die Gründungshandfeste für Gawrzialken wurde am 26. Februar (konfirniert am 21. März) 1788 im Gange der Separation der Puppener Forst ausgestellt. 27 Eigenkätner, die bisher "in diesem Raum auf Scheffelplätzen gewohnt hatten", unter ihnen Jakob Jeglinski (Dorfschulze), erhielten 19 H 3 M 247 R Oletzk. an Acker und Wiesen zu ihrem regulären Dorfetablissement (Friedrichsfelder Grundbuch Nr. 15 587). Jedem der Wirte wurden 27 M Oletzk., zu Schatullrechten mit der Verpflichtung zur Verfügung gestellt, daß jeder innerhalb von sieben Jahren auf seinem Grundstück ein Wohnhaus, eine Scheune und einen Stall bauen sollte. In einem Bereisungsprotokoll (Friedrichsfelder Prästationstabelle 1797) wurde festgestellt, "daß jeder der Wirte seiner Verpflichtung nachgekommen sei." Am 23. April 1813 entstand das Gut Wyseggo (45 H 13 M 20 R), das spätere Klein Wilhelmsthal. Am 21. August 1818 erwarb die Dorfschaft auf Betreiben von Schulz Paul Pawlowski 1245 M 19 R magdeb. "Scheffelplätze" in der Friedrichsfelder Forst. 1835 umfaßte die Dorfgemarkung 89 H 12 M (Friedrichsfelder Prästationstabelle); in der Einwohnerliste dieses Jahres werden 21 Schatullbauern, 10 Eigenkätner, ein Schullehrer (Dorka) verzeichnet. Die Gemeindeauseinandersetzung in Gawrzialken war 1865 abgeschlossen. Ein gewisser wirtschaftlicher Aufstieg der bäuerlichen Betriebe läßt sich seit der Gründung des Friedrichsfelder Meliorationsveibandes 1869 feststellen, durch den zwei größere Kanäle, der Ost- und der Westkanal, gebaut wurden. Aber diese Kanäle verfielen mit der Zeit wieder. Eine entscheidende Besserung erfolgte erst im Zuge der Melioration, die 1934 begonnen und 1938 abgeschlossen wurde. Den größten Gewinn aus dieser Aktion zogen besonders die Bauern, die ihre Höfe in die trockengelegten Außenschläge der Dorfgemarkung verlegten. Nach einer im Jahre 1939 aufgestellten Statistik gab es in Wilhelmsthal (Gawrzialken) 57 landwirtschaftliche Betriebe: 16: 0,5-5 ha, 12: 5-10 ha, 22: 10-20 ha, 17: 20-100 ha. Unter ihnen gab es eine große Anzahl von Betrieben, die modern und erfolgreich wirtschafteten, so Karl Grzanna, August Sadlowski, Friedrich Kaminski, Gustav Habicht, Wilhelm Jakubassa, Adam Losch, Paul Kollodzey, Gottlieb Sadlowski, Karl Kaczenski, Friedrich Schwittay. Die Verkehrsverhältnisse von Wilhelmsthal (Gawrzialken) wurden 1930 durch den Ausbau der Chaussee nach Ebendorf (Olschienen) und die Pflasterung der Dorfstraße (1932), die bisher bei Regen nahezu unpassierbar war, entscheidend gebessert. Die Zahl der Handwerksbetriebe in Wilhelmsthal (Gawrzialken) war verhältnismäßig groß: Ein Schmied, zwei Schneider, zwei Schuhmacher, zwei Tischler, zwei Maurer, ein Zimmermann, ein Stellmacher, ein Ofensetzer, zwei Fleischer, eine Molkerei. Das zur Landgemeinde gehörende Gut Wilhelmsthal (400 ha) wurde 1930 bis auf 146,25 ha parzelliert. Letzter Besitzer des Restgutes: Gustav Szyslo. Über die kirchlichen Verhältnisse entnehmen wir der Wilhelmsthaler Kirchenchronik von Pastor Oswald Krause folgende Ausführungen: Die Dorfgemeinde Wilhelmsthal gehörte seit ihrer Gründung im Jahre 1788 zum Kirchspiel Fürstenwalde. Um das Jahr 1880 wurde sie dem Kirchspiel Klein Jarutten zugeteilt. Im Jahre 1895 bildete man aus den Ortschaften Wilhelmsthal (Gawrzialken), Weißengrund (Bialygrund), Deutschwalde (Suchorowitz), Grünflur (Zielonen), Ostfließ (Alt Suchoroß), Konraden. Bärenbruch, Jeromin, Gut Auerswalde (Neu Suchoroß), Försterei Wilhelmsthal und einigen Abhauten von Groß Jerutten das selbständige Kirchspiel Wilhelmsthal. Die Gottesdienste wurden abwechselnd in den Schulen Wilhelmsthal und Weißengrund (Bialygrund) abgehalten. Im Mai 1907 wurde der Grundstein für den Bau der Kirche gelegt. Am 8. Oktober 1908 wurde die Kirche eingeweiht. Über dem schlichten Altar wölbte sich ein Rundfenster mit Glasmalerei, die den auferstandenen Christus darstellt. Im kirchlichen und auch im öffentlichen Leben des Kirchspiels bedeutete der Kirchenkampf während des Dritten Reiches einen tiefen und gewichtigen Einschnitt. Pfarrer Lic. Grzegorzewski vollzog den Anschluß der Gemeinde an die ostpreußische Bekenntnissynode. In Deutschheide (Wawrochen) versammelte sich die Gemeinde wegen Sperrung der Schule bei Andachten und Bibelstunden im Hause des Bauern und Organisten Odlozinski. 1920 gründete Odlozinski einen Kirchenchor. 1930 kam Erna Schmidt aus Tilsit als Gemeindeschwester nach Wilhelmsthal (Gawrzialken). Die Dorfschule ist eine Gründung Friedrichs des Großen. 1932 wurde ein neues, zweiklassiges Schulgebäude gebaut. In den letzten Jahren vor der Vertreibung unterrichteten Kurt Grochowski, Kurt Karau, Przywarra, Liebig, Kurt Wollmann.

Über das Schicksal der Landgemeinde am Ende des Zweiten Weltkrieges entnehmen wir einem Bericht von Karl Grzanna folgende Ausführungen: Am 20. Januar, 15 Uhr, setzte sich der Treck in Bewegung. Der Weg über Ortelsburg wurde uns in Ebendorf (Olschienen) von der Polizei verwehrt, da die Stadt bereits unter Artilleriebeschuß lag. Unser weiterer Weg führte nach Kobulten in Richtung Rössel. Am 24. Januar erreichten 17 Fahrzeuge das Gut Pustnik im Kreise Rössel. Von diesen kamen nur die Fahrzeuge von Wilhelm Tronskowski, Wilhelm Tietz und Karl Grzanna am 6. März 1945 in Goldenstedt, Kreis Schwerin, an. Beim Einmarsch der Russen in Wilhelmsthal (Gawrzialken) wurden verschleppt: August Bloch, Wilhelm Jerosch, Wilhelm Jakubassa, Adam Losch, Friedrich Tuttas, Wilhelm Fehrenz, Wilhelm Katzmarski. Sie sind nicht zurückgekehrt. Acht Wilhelmsthaler starben auf der Flucht, 12 Einwohner sind als Wehrmachtangehörige gefallen. 14 Soldaten werden vermißt.

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg


Berichtigungen und Ergänzungen zu meiner 1967 erschienenen Abeit über "Die Landgemenden des Kreises Ortelsburg"

Wilhelmsthal: Die letzten Gemeindevorsteher: Bartek, Patz, Michael Habicht, Wilhelm Bloch, Adam Losch, Adam Badlowski, Johann Rosenberg, Johann Bednarz, Karl Grzanna. – 22 Wehrmachtsangehörige gefallen, 14 Wehrmachtsangehörige vermißt. Beim Einmarsch der Russen wurden 4 Zivilpersonen verschleppt, die nicht zurückgehehrt sind.

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. Wilhelm Jakubassa und Frau Katharine, geb. Dibowski   2. Gustav Habicht und Frau Marie, geb. Klein   3. Friedrich Kaminski und Frau Auguste, geb. Ziwitza   4. August Sadlowski und Frau Auguste, geb. Marzinzik   5. Amalie Juschkat, geb. Sadowski   6. Adam Losch und Frau Frieda, geb. Zysk   7. Wilhelm Frontzkowski und Frau Auguste, geb. Frontzek   8. Ernst Tuttaß und Frau Frieda, geb. Rohde   9. August Serowiak und Frau Emma, geb. Sontowski   10. Otto Murach und Frau Emma, geb. Embacher   11. Wilhelm Kilimann und Frau Marie, geb. Pruß   12. August Bloch und Frau Olga, geb. Zysk   13. Wilhelm Rosowski   14. Gottlieb Sadlowski und Frau Marie, geb. Steffan   15. Emil Rosowski und Frau Martha, geb. Czonz   16. Paul Kolodzey   17. Forstamt Reußwalde, Förster Paul Soya und Frau Hedwig, geb. Plewa   18. Gustav Szyslo   19. Frieda Marutzki, geb. Spena   20. Friedrich Sontowski und Frau Emma, geb. Nischik   21. Karl Grzanna und Frau Marie, geb. Orzessek   22. Karl Kompa unrd Frau Auguste, geb. Kalina   23. Karl Besanowski und Frau Martha, geb. Kompa   24. Karl Kilimann und Frau Emma, geb. Murach   25. Wilhelm Jerosch und Frau Henriette, geb. Schittkowski   26. Wilhelm Tietz und Frau Martha, geb. Milewski   27. Wilhelm Gryczan und Frau Anne Marie, geb. Kayß   28. Friedrich Tuttaß und Frau Berta, geb. Steffan   Zu 18. Ständiger Wohnort von Gustav Szyslo war Stadt Ortelsburq

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg