Landgemeinde Geislingen   [Gisiel]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Als Enklave mitten im adelig Wildenauschen Besitz am Ufer des Gisling (des später trockengelegten Geislinger Sees) wurden am 9. Januar 1389 von Hochmeister Conrad Zöllner von Rotenstein zwei Güter von je zehn Hufen kulm. gegründet. Die beiden Besitzer, Alsut und Heinrich, waren zur Stellung von zwei schweren Diensten verpflichtet. Ihnen wurde das Privileg der Fischerei im Gisling und des "Beutemachens" (Anlage von Bienenstöcken) zugesichert. Um 1615 war nach einer Notiz in der Mensguther Amtsrechnung Geislingen ein "köllmisches Dorf mit 20 Hufen und sechs Wirten". Ein schweres Schicksal traf den Ort in den Jahren 1709-1711. 86 Einwohner erlagen der Pest. Die Folgen dieser Katastrophe lassen sich noch 1728 in den Mensguther Prästationstabellen feststellen. Von den 20 H der Dorfgemarkung waren 11 H "wüst", 9 H waren auf Wüstenzins ausgetan. Diese als "wüst" bezeichneten H konnten erst 1760-1773 wieder besetzt werden (Mensguther Grundbuch 15569). Eine wesentliche Ertragssteigerung ist allerdings nicht erkennbar. Nach den Bereisungsprotokollen (Mensguther Prästationstabelle 1781) "können die Vermögensumstände nur als elend bezeichnet werden. Der Holz- und Heubedarf muß aus den adligen Gütern Pfaffendorf und Moithienen gedeckt werden". Die Größe der Dorfgemarkung und die Zahl der Kölmer blieben bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts konstant. Erst die Güterteilungen, die im Zuge der 1862 abgeschlossenen Separation eintraten, führten zu einer Vermehrung der Zahl der Eigentümer. Von den im Separationsprozeß genannten Bauernfamilien waren in Geislingen 1935 noch die Familien Olk, Pudelski und Pawellek ansässig. Die anderen Höfe sind entweder durch Aufteilung, Verkauf oder Einheirat in anderen Besitz übergegangen. Seit Gründung der Entwässerungsgenossenschaft Geislingen (1873), durch deren Tätigkeit große Sumpfflächen in fruchtbares Acker- und Wiesenland umgewandelt wurden, begann in Geislingen ein lebhafter wirtschaftlicher Aufstieg. Unter den 26 landwirtschaftlichen Betrieben (6: 0,5-5 ha, 6: 5-10 ha, 7: 10-20 ha, 7: 20-100 ha) befand sich eine große Anzahl von Bauernhöfen, die nach modernen landwirtschaftlichen Betriebsmethoden wirtschafteten. Unter ihnen seien besonders der 103 M große bäuerliche Betrieb von Karl Pawellek erwähnt. Der größte Teil der Bauernhöfe war massiv ausgebaut. Die Verkehrsverhältnisse in der Dorfgemarkung waren durch ihre Lage an der Reichsstraße Ortelsburg-Mensguth-Bischofsburg sehr günstig. Im Dorfe befand sich eine Gastwirtschaft und ein Kolonialwarengeschäft (Fritz Raddeck), ein Schmiedebetrieb (Gustav Lattek), ein Baugeschäft (Wilhelm Pawellek). Über die schulischen Verhältnisse berichtet Karl Pawellek: "Bis 1888 gehörte Geislingen zum Schulverband Stauchwitz. Am 1. April dieses Jahres konnte in dem zur Schule umgebauten Insthaus des Bauern Samuel Domnick eine Schule eröffnet werden. Erster Schulleiter: Lehrer Jordan. Da das Gut Augusthof zum Gemeindeverband Stauchwitz gehörte, jedoch von Geislingen 360 M besaß, wurden die schulpflichtigen Kinder des Gutes von Stauchwitz nach Geislingen umgeschult. Darauf ist dann 1889 der Gesamtschulverband Geislingen gegründet worden. 1924 wurde ein modernes Schulgebäude gebaut. Da durch die Parzellierung des Gutes Augusthof nach dem Ersten Weltkrieg das Geislinger Land von den Bauern von Geislingen erworben wurde, wurde der Gesamtschulverband Geislingen auf Betreiben der Gemeinde Stauchwitz aufgelöst und in einen Eigenschulverband umgewandelt. Der letzte Verbandsschulvorsteher war Bürgermeister Karl Pawellek. Die Schule in Geislingen war einklassig."

Ein schweres Los traf die Gemeinde am Ende des Zweiten Weltkrieges. Beim Einmarsch der Russen wurden Frau Charlotte Ollech und Frau Berta Gorontzy erschossen. Auf der Flucht wurde Frieda Pudelski ermordet. Verschleppt wurden Karl Boczkowski und Hans Naroska. Fünf Personen starben auf der Flucht. 14 Einwohner sind als Wehrmachtangehörige gefallen. Vier Soldaten werden vermißt.

Über das Schicksal der Gemeinde nach der Besetzung durch die Polen berichtet Karl Pawellek: "Die Gemeinde gleicht einer Wüste. Ca. 30 Prozent der Gebäude sind von den Polen abgerissen. Die Meliorationswiesen sind versumpft. Bewirtschaftet wird nur der beste Boden in der Nähe der Höfe. Etwa 40 Prozent des Ackers ist mit selbst angesamtem Wald bewachsen. Die kleinen Hochwaldbestände von Rittmeyer, Pudelski und Boesett sind gelichtet. Auf dem Gehöft Olk wirtschaften drei Polen. Auf den Gehöften von Boesett, Domnick und Rittmeyer wirtschaftete je zwei polnische Familien."

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. August Rittmeyer   2. Karl Boczkowski   3. Otto Schulz   4. Emil Schulz   5. Karl Pawellek   6. Friedrich Salewski   7. Helga Katzinski   8. Emilie Todzy   9. Karl Tomzik   10. Gustav Mrohs   11. Albert Waschnewski

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg